Die ganze Stadt im Tentakelgriff

Pop Elektronische Musikforschung beim Krake-Festival

Im Sommer wird bei den Festivals gern gegen den Wohlklang gewuchtet

Dass der Sommer da ist, merkt man auch daran, dass in dieser Zeit die Konzertfrequenz in den Clubs doch deutlich nach unten gedrückt ist. Wenn sich die Clubs nicht sogar gleich in die Sommerpause verabschiedet haben. Dafür hat man nun mit dem Sommer die Zeit für die Festivals – die sich in Berlin allerdings nicht unbedingt immer für eine sommerfrischgemäß nette und freundlich schnippende Entspannungsmusik anbieten.

Dass im Sommer in der Stadt musikalisch gern etwas heftiger gegen den Wohlklang gewuchtet wird, mag man bereits an den Festivalnamen ablesen. Bei dem Mitte August stattfindenden Atonal-Festival sind wieder allerlei experimentelle Musiken nebst medialen Experimenten zu erwarten, Anfang August ruft man zum A L’arme-Festival (also: zu den Waffen), bei dem mit heftigen Noise-Rock- und Jazz-Attacken zu rechnen ist.

Auch beim am Montag startenden Krake-Festival trägt man musikalisch nicht unbedingt Hawaiihemd. Ein Festival für mutige und die Ohren herausfordernde elektronische Musik will der von der Berliner Promotioncrew und dem Fachlabel Killekill veranstaltete Reigen sein. Der ist international besetzt, ein besonderer Blick aber gilt dabei auch der hiesigen Szene bei den an verschiedenen Orten stattfindenden, die Stadt sozusagen tentakelgleich in den Griff nehmenden Krake-Veranstaltungen.

Zum Auftakt am Montag im Silent Green in Wedding kann man zum Beispiel die Berliner Musikerin Annika Henderson alias Anika mit einer dunkel-dystopischen Collagenmusik hören. Dazu singt sie mit einer Stimme, die in ihrem aufreizend-trägen Tonfall an die von Nico erinnert. Zum Abschluss des Festivals in der Neuköllner Griessmühle kommt aus London Luke Vibert, der seit den frühen Neunzigern mit großer Bandbreite in der elektronischen Musik unterwegs ist, von Drum and Bass und Acid über House bis zu dem, was so hübsch als IDM, also Intelligent Dance Music, gelabelt ist.

Bei dieser langen Abschlussrunde in der Griessmühle gibt es beim Krake-Festival als Pre­mie­re auch ein generationenübergreifendes Projekt, bei dem das Soundforscherduo Dot Product aus Bristol mit Renate Knaup auf die Bühne kommt – die Sängerin von den heftig psychedelisierenden Krautrock­pio­nieren Amon Düül II. Knaup, auf den frühen Alben der Band soundmalend als Renate Knaup-Krötenschwanz firmierend, durfte man damals durchaus als die gültige deutsche Version einer Grace Slick von Jefferson Airplane hören. Thomas Mauch

Krake Festival: 24. bis 30. Juli, Festivalpass 49 €, Tagesticket 13 bis 16 €. Programm: krake-festival.de