Klinikverbund in der Planungslücke

Eigentlich muss der Klinikverbund Gesundheit Nord gGmbH mit Volldampf zukunftsfest gemacht werden. Doch je länger gerechnet wird, desto größer klaffen die Finanzlücken. Deshalb fiel nun die Aufsichtsratssitzung aus

bremen taz ■ Über die jüngste Misere Klartext reden, das wollen nicht einmal die, denen Bremens zerstrittene Klinik-Betriebsräte bösen Willen unterstellen. CDU-Gesundheitspolitikerin Rita Mohr-Lüllmann beispielsweise. Die wehrt sich zwar gegen das Gerücht, die CDU wolle die bislang kommunalen Kliniken privatisieren. „Das stimmt nicht. Das wurde vor der Wahl lanciert. Wir wollen die vier Kliniken unter dem Dach der Holding erhalten.“ Doch über eine Finanzlücke der Holding, die gut informierte Kreise auf knapp 50 Millionen Euro bis zum Jahr 2009 beziffern, dürfe sie sich als Aufsichtsratsmitglied der Holding nicht äußern. Nur so viel: „Wir sind schwer daran interessiert, Beschlüsse zu fassen, die positive Zahlen bringen.“

Weil solche Beschlüsse nicht in Sicht sind, wurde Anfang der Woche die Aufsichtsratssitzung der Holding Gesundheit Nord gGmbH abgeblasen: Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) sei unter anderem wegen des Wahlkampfs in Zeitnot geraten. „Tatsächlich war die Beschlussvorlage nicht einigungsfähig“, berichten Beobachter. Nach einer Entscheidung des Aufsichtsrats vom Juni sollte die künftige Finanzlage der Holding bis September neu gerechnet werden – dieses Mal auf Grundlage des „Dangaster Kompromisses“. Doch daraus ergeben sich Deckungslücken. Nun droht erneut der alte Richtungsstreit.

Auf der einen Seite steht das so genannte Strategiepapier der Holding, das medizinische Schwerpunkte vor allem im neu zu bauenden Klinikum Mitte, das Abschmelzen anderer Klinikstandorte wie Ost und ein langfristiges Einsparvolumen vorsieht. Auf der anderen Seite soll der so genannte „Dangaster Kompromiss“, ausgehandelt von Holding und Betriebsräten, eine wohnortnahe Versorgung sichern. „Dass das teurer wird, musste man befürchten“, sagen auch Befürworter.

Genannt werden will niemand. Aber dass der Fehlbetrag stimmt, bezweifelt keiner. Eher schon das böse Gerücht, der Chef der Holding, Wolfgang Tissen, streue solche Zahlen, um seine Strategie durchzusetzen – samt Neubau und Personalschrumpfung um 30 Prozent.

„Die Lage ist ernst“, sagen Gewerkschafter. Die haben es zurzeit auch wegen der unterschiedlichen Interessenlagen der Häuser sehr schwer. Vor allem Ver.di ist in den Kliniken bislang vertreten, den Erhalt von Arbeitsplätzen immer im Blick. Doch seit Bekanntwerden des neuen Minusbetrags – vor allem wegen der Fallpauschalen, die die Kosten nicht decken, aber auch wegen beispielsweise bis 2009 zurückgesteller Renten- und Pensionskosten – droht neuer Ärger.

Mitarbeiter flüstern „Spaltung der Belegschaft“. Denn über 70 Prozent der Klinikkosten sind Personalkosten. Dazu gibt es im jüngst geschlossenen Tarifvertrag ÖD für Krankenhausbeschäftigte eine Zusatzklausel. Die gestattet Kliniken, die wegen des neuen Finanzierungssystems per Fallpauschale in Schieflage geraten, den Bruttolohn um bis zu 10 Prozent zu kürzen. Schon heißt es: Links der Weser, Nord und Ost kommen doch mit den Pauschalen von 2.900 Euro hin. „Vor allem Mitte macht Minus. Müssen dafür alle zahlen?“ Die Lage sei kompliziert, sagt Ver.di-Mann Schmid und kritisiert: „Die Geschäftsführer waren zu wenig auf die Pauschalen vorbereitet.“ Derweil hoffen Betriebsräte, dass bis zum Aufsichtsratstermin im Oktober der Gesundheitsexperte Heiner Lauterbach ein früheres Gutachten mit Zahlen unterfüttert – die vielleicht eine Wende in ganz andere Richtung bringen. ede