Der Schmerz lässt noch nicht nach

GEWALT Flüchtlinge erneuern den Vorwurf, bei der Besetzung der nigerianischen Botschaft von Polizisten misshandelt worden zu sein

„Das Verhalten der deutschen Polizei war genau wie in meinem Herkunftsland Iran“, sagt Hatef Soltani. Er ist einer der Flüchtlinge, die seit Wochen mit einem Camp auf dem Kreuzberger Oranienplatz protestieren. Am Freitag bekräftigten sie ihre gegen die Polizei erhobenen Anschuldigungen: Mehrere von ihnen seien nach der kurzzeitigen Besetzung der nigerianischen Botschaft am 15. Oktober im Polizeigewahrsam massiv misshandelt und rassistisch beleidigt worden. Soltani klagt, er sei in der Zelle mit kaltem Wasser überschüttet worden. Sein Tablet, mit dem er aus der Botschaft einen Livestream gesendet hatte, habe er bis heute nicht zurückerhalten.

Patras Bwansi, 33, Flüchtling aus Uganda und seit zwei Jahren in einem Lager im bayerischen Passau untergebracht, berichtet, er sei damals in Ohnmacht gefallen, nachdem PolizistInnen seinen Kopf auf den Boden gedrückt und auf ihn eingetreten hätten. Er klagt noch heute über Schmerzen in einer Hand. Am 15. Oktober habe er die Erfahrung gemacht, dass Deutschland ein „rassistisches, kapitalistisches und koloniales Land“ sei.

Kopfgeld für die Botschaft

Laut Rex Osa von der Flüchtlingsorganisation „The Voice“ hat Deutschland Verträge mit Nigeria, die die Abschiebung von Flüchtlingen erleichtern. MitarbeiterInnen der nigerianischen Botschaft stellten dabei Bescheinigungen aus, dass Asylsuchende aus Nigeria stammten. Betroffen seien auch Menschen, die nicht aus Nigeria kommen. Osa erklärte weiter, die Botschaftsangehörigen würden von der Bundesregierung für jede Person bezahlt, der sie die nigerianische Nationalität attestieren. Das Auswärtige Amt war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Gegen diese Kooperation richtete sich der Protest in der nigerianischen Botschaft, bei dem 23 Personen festgenommen wurden und misshandelt worden sein sollen. Zurzeit beraten die Flüchtlinge, kollektiv gegen die Polizei vorzugehen, so Osa.

Biplap Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) sichert allen Betroffenen Unterstützung zu. In etwa 80 Prozent der Fälle würden die Verfahren aber eingestellt. Die wenigen, die vor Gerichten landen, endeten mit Freispruch für die Polizei. In Berlin endeten im Jahr 2011 knapp 3 Prozent der Strafverfahren gegen PolizistInnen mit Urteilen, knapp 86 Prozent wurden eingestellt. Nach der Besetzung der nigerianischen Botschaft wurden bisher drei Anzeigen gegen PolizeibeamtInnen erstattet, laut Polizei laufen die Ermittlungen noch.

Am Pariser Platz, wo seit dem 24. Oktober ebenfalls Asylsuchende für ihre Forderungen demonstrieren, stand die Polizei auch wiederholt in der Kritik. Sie hatte Hungerstreikenden bei eisigen Temperaturen selbst Sitzunterlagen weggenommen. Dies erklärte das Berliner Verwaltungsgericht nach über einer Woche für rechtswidrig.

Mittlerweile beklagen auch Unterstützer Gewalt: Stefan Urbach, Mitarbeiter der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus, berichtete, auf offener Straße unvermittelt einen Faustschlag versetzt bekommen zu haben. Er vermutet einen rechtsextremen Hintergrund: „Kümmer dich nicht um die Kanaken“, soll der Angreifer gesagt haben.

NIKOLAI SCHREITER