Kolumne Liebeserklärung: Prosecco für den Glauben

Aus Angst vor einer leeren Kirche im Sommer lockt ein italienischer Pfarrer seine Gemeinde mit Alkohol in die Messe – Stempelkarte inklusive.

Illustration: Ein kleiner Mensch hält eine orangefarbene Blume, über seinem Kopf schwebt ein Herz

Ein Geschenk Gottes: Nach dem zehnten Besuch gibt es Prosecco Illustration: TOM

Stempelkarten sind toll. Der achte Kaffee umsonst, der zehnte Kinobesuch aufs Haus – und wer regelmäßig Autogramme der Zahnärztin im Bonusheft sammelt, spart auch noch. Ein Erfolgsmodell, das sich die katholische Kirche nicht entgehen lassen will. Zumindest nicht jene Gemeinde in der italienischen Region Umbrien, in der Gianfranco Formenton Pfarrer ist.

Aus Angst vor einer leeren Kirche im Sommer hat Formenton einen Plan erdacht: Er gibt Treuekarten an die Gläubigen aus, die er am Ende jeder sonntäglichen Messe abstempelt. Wer regelmäßig kommt, wird belohnt: die Erwachsenen mit einem Glas Prosecco, die Kinder mit einer Tüte Chips. Er wolle mit diesem Spielchen seine Gemeindemitglieder daran erinnern, „dass der Glaube eine Verpflichtung ist und als solche keinen Urlaub macht“, sagte Formenton.

Aber wer hat gesagt, dass Verpflichtungen keinen Spaß machen dürfen oder zumindest eine Erholung sein können? Denn während Italien von einer Hitzewelle sondergleichen heimgesucht wird, das Thermometer auf über 40 Grad klettert und Kaugummis auf dem Asphalt Blasen schlagen, könnte der Besuch einer Kirche mit dicken Steinwänden und dem Versprechen eines eisgekühlten Prosecco selbst für Atheist*innen attraktiv werden.

Das Modell „Messa Card“ scheint jedenfalls zukunftsträchtig – und bietet viel Raum für innovative Entwicklungen: Nach jeder zehnten Beichte gibt es einen Persilschein aufs Haus. Jede fünfte Oblate hat Erdbeergeschmack. Beim zehnten Prosecco gibt es die Kopfschmerztablette gratis dazu, jedes zwanzigste Gebet wird erhört.

Wir Menschen sind nun mal Sparfüchse. Wo Sonderangebote winken, da greifen wir zu. Dann kaufen wir Dinge, die wir überhaupt nicht brauchen. Vegane Salatmayonnaise zum Beispiel, die dann für immer ganz hinten im Küchenschrank steht. Ein Schicksal, das dem Prosecco in ­Umbrien hoffentlich nicht blüht. Und die Messe macht leicht angeschickert möglicherweise auch mehr Spaß. Obwohl, den Aperitif gibt es ja immer erst hinterher. Na ja, am Service kann man ja noch arbeiten.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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