Großeinsatz für die Feldjäger

Kampflos überlässt die Friedensbewegung der Bundeswehr den Domplatz nicht. Beim öffentlichen Gelöbnis in Köln hat die Militärpolizei alle Hände voll zu tun, die Rekrutenvereidigung zu schützen

VON DIRK ECKERT

Zwischen Dom und Demo sind nur wenige Meter Abstand und gerade mal zehn Polizisten postiert. Es ist ruhig an diesem Mittwoch Morgen um zehn vor dem Haupteingang des Kölner Doms. Drinnen wird gerade ein Soldatengottesdienst gefeiert: der Auftakt zum Gelöbnis, das gegen Mittag an der Südseite des Doms auf dem Roncalliplatz stattfinden soll – genau da, wo kürzlich noch der Papst thronte. Aber der Dom ist trotzdem keineswegs hermetisch abgeriegelt, wie das sonst bei dem Soldatengottesdienst der Fall ist, der immer am Jahresanfang im Dom stattfindet. Heute kann jeder einfach reingehen, kann am Gottesdienst teilnehmen oder einfach nur zuschauen. Sogar die Turmbesteigung ist möglich. „157 Meter, 509 Stufen“ verkündet ein Schild. An der Kasse drängeln sich Dutzende.

Draußen bauen Friedensaktivisten ihre Infostände auf und hängen Transparente an die Sperrgitter, die die Bundeswehr vor unbewaffneten Bürgern schützen sollen. „Helm ab zum Denken“ steht auf einem. Walter Hermann ist damit beschäftigt, seine „Klagemauer“ aufzustellen. Seit 1991 steht sie vor dem Dom. Diesmal drehen sich alle Tafeln um Hiroshima und Nagasaki. „Atomwaffen abschaffen. Jetzt!“ Dafür sammelt er Unterschriften. Hunderttausend sollen es werden, seit August hat er rund 5.000 gesammelt.

Bis zur letzten Minute hatten Friedensaktivisten noch versucht, sowohl das Gelöbnis als auch den Zapfenstreich am Abend von Gerichten verbieten zu lassen. Vergeblich. Jetzt stehen sie an der Westseite des Doms. „Wir wären gerne näher rangekommen“, sagt Markus Gross vom Kölner Aktionsbündnis gegen Militärspektakel und zeigt auf einen Brunnen hinter der Absperrung. „Da hört der Roncalliplatz auf“, erklärt er.

Doch da dürfen die Demonstranten nicht hin. „Hausrecht Bundeswehr“ steht alle paar Meter an der Absperrung, dahinter sind Feldjäger postiert. „Peinlich für Köln, peinlich für die Bundeswehr“, kommentiert Kabarettist Heinrich Pachl lakonisch. Das habe der Dom nicht verdient. „Sie treten immer offener und dreister auf“, ärgert sich Gross und meint damit nicht die Militärpolizei, sondern die Bundeswehr im Allgemeinen. Um Militär als ein Stück Normalität erscheinen zu lassen, missbrauche die Bundeswehr die Domkulisse, kritisiert er.

Pünktlich um 12.10 Uhr kommt Leben in die Szene. Dutzende Soldaten in blauer Uniform marschieren auf den Roncalliplatz. „Das Feierliche Gelöbnis beginnt nun“, tönt es aus den Lautsprechern. Ein gellendes Pfeifkonzert ist die friedensbewegte Antwort – und der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Störungen, wie sie Kriegsgegner vorher angekündigt hatten.

Der erste Protest, der auch auf dem Roncalliplatz deutlich zu sehen ist, kommt von der Gästetribüne: Die drei Ratsmitglieder der Linkspartei entrollen eine Pace-Fahne. Nach wenigen Sekunden sind die Feldjäger da. Nach etwas Diskussion müssen die drei die Tribüne verlassen. Die übrigen Gäste verhalten sich friedlich, Ratsherr Bernd M. Schöppe von der rechtsextremen Gruppierung „Pro Köln“ ist sogar in Uniform erschienen.

Im Zuschauerraum werden Störungen allerdings gar nicht goutiert. Vielfach sind es Angehörige der zu vereidigenden Soldaten, die extra in die Domstadt gereist sind. Empörung macht sich breit, als während der Zeremonie am Rande der Absperrung plötzlich zwei Polit-Aktivisten in schallendes Gelächter ausbrechen. Es sind „der Lachsack“ und „Friedensgeneral“ Udo de Cologne – der Mann im Sack und der mit allerlei „Orden“ dekorierter Uniformträger stehen ausgerechnet hinter einem Transparent, das der Bundeswehr ganz ernstgemeint für „50 Jahre Frieden“ dankt. „Doof wie Hühnerscheiße“, schimpft jemand. Eine kleine Diskussion beginnt. „Sie haben Recht, wir nehmen das nicht ernst genug“, sagt Udo de Cologne einem älteren Herrn freundlich.

Das Gelöbnis steuert seinem Höhepunkt zu. Doch als die Eidesformel gesprochen wird, ertönt plötzlich eine Tröte, über den ganzen Platz deutlich vernehmbar. Gleichzeitig lassen Aktivisten über dem Südportal des Doms ein Transparent herunter. „Wir geloben zu morden, zu rauben, zu vergewaltigen“, steht da – wohl ein Vorschlag für eine alternative, ehrlichere Eidesformel. Ausgerechnet der Dom erweist sich als Schwachstelle im Sicherheitskonzept der Bundeswehr.

Es vergehen Minuten. Als dann Feldjäger die Polit-Aktivisten abführen, atmet das Publikum auf, es wird applaudiert. Für einen der Festgenommenen, der sich wie ein Schauspieler am Ende des Stücks verbeugt, haben die meisten nur Buh-Rufe übrig.