Dekarbonisierung in Saudi-Arabien: Klimaschutz nur mit Ölverkauf

Saudi-Arabien ist völlig abhängig vom Schwarzen Gold. Jetzt will ein junger Prinz das ändern. Die Wirtschaft des Golfstaats soll umgebaut werden.

Erdöl-Anlage in Saudi-Arabie

Aramco-Anlage in den Ölfeldern von Churais, nordöstlich von Riad Foto: reuters

BERLIN taz | Die Vision der Umweltschützer, eine Welt ohne Öl, Gas und Kohle, ist für Chalid Abduleif eine Bedrohung. „Die Debatten gehen gegen Kohle und Öl, und das ist schlecht“, sagte der Leiter der Delegation Saudi-Arabiens auf dem Klimagipfel von Paris bei einem seiner seltenen Auftritte. „Es muss doch um die Emissionen gehen, die wir bekämpfen sollten.“

Verantwortlich für den Klimawandel, so die Lesart des Öllandes, sind nicht die Verkäufer der fossilen Brennstoffe, sondern die Kunden. Aber trotzdem werde sein Land „als führender Energielieferant der Welt bei der Gestaltung einer Welt mit Kohlenstoffregeln eine Hauptrolle spielen“.

So ist das seit Jahrzehnten. Seit die islamisch-fundamentalistische Monarchie am Persischen Golf zu einer Ölsupermacht geworden ist, geht in der globalen Energie- und Klimapolitik nichts gegen die Saudis. Sie haben durch hinhaltenden Widerstand den UN-Klimaprozess torpediert und die Beratungen im UN-Klimarat UNFCCC immer wieder ad absurdum geführt.

Ihr nationaler Klimaplan von Paris ist ein Beleg für dieses paradoxe Denken: Sie wollen bis 2030 ihre Emissionen um jährlich 130 Millionen Tonnen CO2 reduzieren – aber nur, „wenn es robuste Einnahmen aus dem Ölexport für die nationale Wirtschaft gibt“.

Also Klimaschutz nur, wenn sie genug Öl verkaufen. Ein Plan, den die Experten des Thinktanks Climate Action Tracker, die die Pläne der Staaten unabhängig bewerten, als „unangemessen“ einstuften: Die Ölbillionäre müssten ihre Anstrengungen vervierfachen, hieß es.

Ein Angriff auf das Geschäftsmodell

„Dekarbonisierung ist für die Saudis ein direkter Angriff auf ihr Gesellschaftsmodell“, erklärt ein europäischer Diplomat, warum der Begriff für die Ölscheichs inakzeptabel ist. Aber gleichzeitig plant das Königshaus für die Zeit nach dem Schwarzen Gold.

Nur vier Monate nach der Konferenz von Paris verkündete der erst 30-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman das Programm „Vision 2030“: Die Wirtschaft des Landes, die bislang zu über 40 Prozent am Öl hängt und wo Öl über 90 Prozent der Staatseinnahmen garantiert, solle unabhängiger von dem Brennstoff werden: Eine eigene Bergbau-, Waffen- und Chemieindustrie, der Tourismus zu den heiligen Städten Mekka und Medina und erneuerbare Energien sollen das 32–Millionen-Volk in Zukunft ernähren. Schon bis 2020, so der ehrgeizige Plan, solle das Land „jede Abhängigkeit vom Öl“ beenden. „Wir brauchen das Öl, aber ab 2020 können wir auch ohne es überleben“, erklärte der Prinz in einem TV-Interview.

Bezahlen soll den Umbau der Wirtschaft der größte Börsengang der Weltgeschichte. Für nur 5 Prozent des staatseigenen Ölgiganten Saudi Aramco wollen die Scheichs 100 Milliarden Dollar einnehmen. Das Geld soll als Teil der 2 Billionen Dollar im Public Investment Fund durch weltweite Investitionen die Wirtschaft modernisieren und andere Einkommensquellen neben dem Öl schaffen. Investoren stehen Schlange, um einen Teil des Kuchens zu bekommen, denn Saudi Aramco gilt als größte, geheimnisvollste und profitabelste Ölfirma der Welt. Das Königreich liefert jedes achte Fass Öl, das auf der Welt verbraucht wird. Saudi Aramco hat zehnmal so viele Ölreserven wie der größte private Ölkonzern ExxonMobil und wird auf einen Wert von 10 Billionen Dollar geschätzt.

Verfall des Ölpreises

Aber auch wenn Öl nirgends so billig gefördert wird wie am Persischen Golf, leiden die Saudis unter dem Verfall der Ölpreise. Im Jahr 2016 riss der Einbruch des Ölpreises dem Königreich ein Loch von 14 Prozent in den Staatshaushalt. Die Regierung reagierte, indem sie Wohltaten wie billiges Öl und Sozialleistungen zurückschraubte.

Neben dem Öl soll auch die Sonne in Zukunft Geld einbringen. Energieminister Chalid al-Falih hat erklärt, unter dem Programm für Erneuerbare (ENRP) sollten bis 2023 Solaranlagen mit insgesamt 9,5 Gigawatt Leistung entstehen (in Deutschland gibt es 42 Gigawatt) und bis 2030 bis zu 50 Milliarden Dollar an Investitionen ins Land geholt werden.

Den Ökostrom, der unter den Wüstenbedingungen billig zu produzieren ist, wollen die Saudis in der ferneren Zukunft im ganzen Nahen Osten verkaufen. Bisher kommen 99 Prozent des saudischen Stroms aus Öl und Gas, deren Kraftwerke 55 Gigawatt leisten.

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Hinter die hoch fliegenden Pläne machen Kritiker allerdings einige Fragezeichen. So ist das Stromnetz am Golf nicht ausgelegt für den Export; das Know-how für Erneuerbare liegt bei ausländischen Firmen und die Pläne, heimische Anbieter zu bevorzugen, verstoßen gegen globales Handelsrecht.

Auch machen der Sand und der Mangel an Süßwasser den Solaranlagen zu schaffen. Saudisches Personal ist kaum ausgebildet und staatliche Alimentierung gewohnt, bürgerliche Freiheiten werden mit der Modernisierung nicht versprochen und überhaupt sei es fraglich, ob sich der saudi-arabische Kronprinz mit seiner „Vision 2030“ gegen die alte und mächtige wahhabitische Klerikerkaste durchsetzen könne.

„Saudi-Arabien verspricht die Diversifizierung weg vom Öl seit Jahrzehnten“, heißt es in der Zeitschrift Economist. „Der Prinz muss noch beweisen, dass es diesmal anders ist.“

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