heute in Bremen
: „Zu unrecht in der Forensik“

Kongress Die psychiatriekritische Gruppe informiert über das Leben in der Psychiatrie

Bernd Ost

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30, Name geändert, ist Mitglied der psychiatriekritischen Gruppe Bremen, die die Veranstaltungswoche organisiert.

taz: Herr Ost, was kritisieren Sie an der Psychiatrie und Forensik in Bremen?

Bernd Ost: Sie erfüllen nicht, für was sie gedacht sind. Viele kommen dort kränker raus als sie vorher waren, besonders in der forensischen Psychiatrie. Das merken selbst Anwälte, deren Klient*innen nach zwei Jahren Psychiatrie sehr viel labiler sind als zu Beginn.

Woran liegt das?

Die Menschen werden nicht anhand ihrer Probleme begleitet, sondern müssen sich repressiven Strukturen beugen. Protestieren sie dagegen, werden sie im Beobachtungsraum viel zu schnell isoliert, anstatt das in einem Gespräch zu klären. Ihr Leben besteht in einem Warten auf Anweisung.

Ein Aufenthalt in der Psychiatrie kann doch aber auch helfen?

Natürlich brauchen Menschen eine Therapie oder eine Resozialisierung. Es ist auch wichtig, dass sie neue Strategien lernen. Forensik und Zwangspsychia­trie können das aber nicht bieten. Zudem sitzen auch viele zu unrecht in der Forensik.

Die ist für psychisch kranke StraftäterInnen doch die bessere Alternative als das Gefängnis?

Mittlerweile landet jede*r vierte Verurteilte in der Forensik. Da sitzen nicht nur MörderInnen oder Vergewaltiger, sondern auch Kleinkriminelle. Ich kenne den Fall eines Minderjährigen, der wegen Drogenmissbrauchs dort inhaftiert ist. Ich weiß nicht, ob dem das hilft, über Jahre eingesperrt zu sein.

Sie sprechen auf Ihrem Kongress auch über alternative Strategien. Wie sehen die aus?

Wir wollen Ortsgruppen, die sich kritisch mit dem Thema befassen, besser vernetzen und für das Thema sensibilisieren. Viele Menschen haben ein ganz falsches Bild von Forensik und Psychiatrie. Da wollen wir Aufklärungsarbeit betreiben. Zudem werden wir eine nachhaltige Unterstützung in der Forensik anbieten. Uns ist wichtig, dass wir dabei betroffenen Menschen auf Augenhöhe begegnen. Es ist überhaupt ein Problem, dass psychisch Kranken nichts zugetraut wird.

Darum haben Sie neben Psycholog*innen auch Betroffene eingeladen?

Genau, auch Angehörige kommen. Das hat uns gefreut, da wir nicht einfach für andere Menschen Konzepte entwickeln wollen. Die Menschen, die es betrifft, sollen das gestalten.

Interview Florian Schlittgen

Kongress: Freitag, ab 17 Uhr, Samstag, ab 11 Uhr, in der Blauen Karawane, Am Speicher XI