Richter mit Mission, Thema egal

WhatsApp Ein Bad Hersfelder Richter urteilt über mangelnden Datenschutz,obwohl es um Kindschaftsrecht geht. Auflagen macht er nur den Müttern

Droht eine Abmahnwelle für WhatsApp-Nutzer? – Wohl nur, wenn sie geschiedene Frauen sind und in Bad Hersfeld leben Foto: Martin Gerten/dpa

von Christian Rath

Damit hatte die Mutter nicht gerechnet. Eigentlich wollte sie sich beim Amtsgericht Bad Hersfeld beschweren, dass ihr Exmann den gemeinsamen zehnjährigen Sohn beim Umgang am Wochenende nicht genügend betreue. Doch dann kam in der Verhandlung im März die Rede auf das Smartphone des Kindes, und dann war der Richter in seinem Element.

Denn offensichtlich ist er ein Experte für die Datenschutzprobleme bei WhatsApp. Er erklärte also der Mutter, dass bei WhatsApp regelmäßig Datensätze der auf dem Smartphone gespeicherten Kontakte an einen Server in Kalifornien gesendet werden und dass dies ein „deliktisches“ Verhalten des Kindes sei, wenn nicht die Zustimmung all dieser Kontakte vorliege.

Die Mutter versuchte sich noch zu verteidigen, dass das ja nicht so schlimm sein könne, schließlich hätten ja viele Leute WhatsApp auf ihren Handys. Damit hatte sie sich aber endgültig disqualifiziert. Der Datenschutzexperte und Familienrichter erließ nun Anordnungen zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl.

Die Mutter müsse alsbald Einverständniserklärungen aller WhatsApp-Kontakte ihres Sohnes einholen oder dafür sorgen, dass die Kontakte vom Smartphone entfernt werden. Außerdem müsse sie sich medienpädagogisch fortbilden. Dazu müsse sie auf der Webseite „Klicksafe“ monatlich mindestens drei Texte lesen und dies dem Gericht nachweisen. Klicksafe ist eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz.

Die Mutter mussauf der Webseite „Klicksafe“ monatlich mindestensdrei Texte lesenund dies demGericht nachweisen

Das Vorgehen des Richters ist kein Einzelfall. Zwei Monate später, im Mai, kam ein geschiedener Vater zu ihm und wollte den Wochenend-Umgang mit seinem elfjährigen Sohn verlässlicher geregelt haben. Doch schnell kam wieder die Rede auf das Smartphone des Kindes und wieder zeigte sich, dass Eltern die datenschutzrechtlichen Gefahren von WhatsApp völlig unterschätzen. Erneut verpflichtete der Bad Hersfelder Richter die Mutter (nicht den Vater), drei Texte monatlich auf Klicksafe zu lesen und so weiter.

Nun ist das Amtsgericht Bad Hersfeld nicht für ganz Deutschland zuständig, sondern nur für rund 110.000 Einwohner von Nantershausen im Norden bis Schenklengsfeld im Süden. Aber der gewiefte Medienanwalt Christian Solmecke hat das Urteil mit einer Pressemitteilung bundesweit bekannt gemacht und die Frage aufgeworfen: „Droht eine neue Abmahnwelle für WhatsApp-Nutzer?“ Muss nun jeder befürchten, von Freunden und Bekannten wegen „deliktischer“ Nutzung von WhatsApp abgemahnt zu werden? Das sei jedoch eine eher „theoretische“ Gefahr, beruhigt der Anwalt.

Viel größer ist offensichtlich die Gefahr, wenn man sich mit Umgangsproblemen an das Amtsgericht Bad Hersfeld wendet. Bald geht es dann nicht mehr um das Kind und die Konflikte der Eltern, sondern nur noch um den Datenschutz bei der WhatsApp-Nutzung. Und am Ende muss zumindest die Mutter drei Artikel monatlich auf „Klicksafe“ lesen.