Kita ohne Geborgenheit

Chaos In einem 2012 neu eröffneten Kindergarten in Peterswerder haben drei Viertel der ErzieherInnen gekündigt. 2018 stehen ein Umzug und eine Umstrukturierung an

Aus vier mach sechs: In Kitas sind leider nicht nur die Badmöbel überbelegt Foto: Patrick Pleul/dpa

von Eiken Bruhn

Im Kindergarten ihrer Tochter in Peterswerder können die Kinder keine Zähne putzen, erzählt Solveigh Jahn. Weil in den Waschräumen der Mobilbauten an der Friedrich-Karl-Straße kein Platz für Zahnputzbecher ist. „Man muss davon ausgehen, dass es Familien gibt, in denen die Kinder zu Hause nicht regelmäßig ihre Zähne putzen“, sagt die Elternvertreterin, „deshalb geht das eigentlich gar nicht“. Doch über solche Kleinigkeiten würde sie sich nicht mehr aufregen. „Es geht nur darum, noch mehr Unruhe zu verhindern.“

Denn in dem 2012 als Übergangslösung eröffneten Kindergarten haben die Eltern ganz andere Sorgen. Zum 1. August haben drei Viertel der ErzieherInnen gekündigt. Zwar werden die Stellen nach Auskunft des städtischen Trägers Kita Bremen nach den Ferien alle wieder besetzt, damit hört der Stress für Kinder, Eltern und Beschäftigte aber nicht auf: Im Frühling muss der Kindergarten mit allen 80 Kindern umziehen. Ein halbes Jahr danach werden die Gruppen neu aufgeteilt. Ab dem nächsten Sommer soll der Kindergarten auch Krippenplätze für Ein- bis Dreijährige anbieten. Dafür werden aus zwei von vier Kindergartengruppen altersgemischte Gruppen mit 15 Plätzen gemacht.

Von dieser Umstrukturierung erfuhren die Eltern erst nach der Anmeldephase, erzählt Nina Bruns, wie Jahn Elternvertreterin in dem Kindergarten. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich meinen zweiten Sohn woanders angemeldet.“ Ihr Fünfjähriger bekommt im August zwei ihm unbekannte neue ErzieherInnen. „Dass er dann auch noch im nächsten Jahr seinen Gruppenraum verliert, hat ihm den Rest gegeben“, erzählt Bruns.

Der Umzug ist nötig, weil der Kindergarten auf dem Gelände des Klinikums Mitte, dem zukünftigen Hulsberg-Viertel, steht. Er war geplant als Vorläufer einer festen Einrichtung in dem neuen Stadtteil, in dem eigentlich vor drei Jahren Baubeginn hätte sein sollen. Doch weil sich die Fertigstellung des Klinik-Neubaus immer weiter verzögert hat, konnten die alten Klinikgebäude und -flächen nicht verkauft werden. Der Kindergarten muss trotzdem jetzt umziehen, weil die Mobilbauten für einen Kindergarten in Gröpelingen benötigt werden. Als weitere Zwischenlösung wandern die vier Gruppen daher in einen zweistöckigen Container auf dem Spielplatz vom Betty-Gleim-Haus, einem Kindergarten an der Bismarckstraße.

Auch der Träger Kita Bremen sieht die besondere Härte ein

Auch gegen den Umzug haben sich die ElternvertreterInnen gewehrt – erfolglos wie fast alle ihre Versuche, etwas Kontinuität zu wahren, wie sie erzählen. „Es ging immer noch etwas schlimmer“, erinnert sich Jahn. Zuletzt kam die Meldung, dass die Kindergartengruppen in der ganzen Stadt in Zukunft 21 statt 20 Kindern aufnehmen sollten – eine Maßnahme, die die LeiterInnen von Kita Bremen Kindertagesstätten aus pädagogischen Gründen geschlossen ablehnten und jetzt laut Bildungsbehörde nur noch in Einzelfällen umgesetzt werden soll. Auch die beiden Elternvertreterinnen, beide Lehrerinnen, halten eine Aufstockung für falsch.

„Die Erzieherinnen haben jetzt schon zu wenig Zeit für alle Kinder“, sagt Jahn. Beide ärgern sich nicht nur über die Politik, sondern auch über den Umgang von Kita Bremen mit der Situation an der Friedrich-Karl-Straße. Sie werfen der Leitung des Trägers intransparente Entscheidungen und mangelnde Kommunikation mit den Eltern vor. „Sicherheit und Geborgenheit sind für Kinder eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Start ins Leben“, steht auf der Homepage von Kita Bremen. „Bei so vielen Veränderungen ist Geborgenheit gar nicht mehr möglich“, sagt Jahn.

Dass es die Einrichtung an der Friedrich-Karl-Straße besonders hart getroffen hat, räumt der Geschäftsführer von Kita Bremen, Wolfgang Bahlmann, ohne Umstand ein. „Das ist aber ein Einzelfall“, sagt er. Und dass der Träger zu wenig tue, um neuen Einrichtungen den Start zu erleichtern, weist er zurück: „Das Budget für Supervision ist erheblich aufgestockt worden.“