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Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt

GERECHTIGKEIT Fairer Handel, schön und gut. Eines fehlt Fair-Trade-Produkten aber meist: ein Schiffsweg, der ihnen gerecht wird

Hapag-Lloyd, eigentlich kein schlechter Kahn: Aber wieso denn kein schönes Siegel oder so? Foto: Christian Charisius/dpa

VON Hermannus Pfeiffer

HAMBURG taz |Fairer Handel ist unfair, zumindest, wenn es um das Wesentliche jeden Handels geht: den Transport. Ob Kaffee oder Bananen – Bauern, Erntehelfer und Produktionsgenossenschaften erhalten im fairen Handel mehr oder weniger angemessene Preise. Doch: „Aus fairen Produktionsbedingungen wird schnell ein unfaires Produkt“, kritisiert Torben Seebold von der Gewerkschaft Verdi, „wenn die Transportbedingungen entlang der globalen Lieferkette nicht anständig sind.“ Und das ist der Normalfall.

Produzenten, Lieferanten und Einzelhändler, die sich um das Recht bemühen, ein Gütesiegel im „fairen“ Handel zu erwerben, sind üblicherweise nicht dazu verpflichtet, eine entsprechend fair arbeitende Transportkette zu nutzen. Schon die Beförderung vor Ort ist häufig bestenfalls eine Blackbox, ebenso wie die Logistik im Empfängerland. Den größten Teil der Strecke zwischen den Bauern im globalen Süden und den Konsumenten im Norden legen Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigprodukte allerdings per Schiff zurück.

Das ist preiswert und günstig. Frachter mit 10.000 oder 20.000 Containern an Bord fahren deutlich preiswerter als Lastwagen oder Flugzeuge. Schiffe sind per Tonnenkilometer auch deutlich umweltschonender als selbst die Bahn. Was Schiffstransporte jedoch kaum sind: fair.

Dabei schreibt die Seefahrt eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO, eine Organisation der Vereinten Nationen, hat vor einem Jahrzehnt das Seearbeitsübereinkommen mit internationalen Reederverbänden abgeschlossen. Freizeit, Urlaubsansprüche, Sicherheitsnormen und ein Mindestlohn von 1.078 Dollar – rund 1.000 Euro – für 70 bis 80 Wochenstunden sind darin geregelt. Der übliche Lohn für Vollmatrosen beträgt schätzungsweise 1.500 Dollar. Für die meisten der 600.000 Seeleute, die überwiegend aus armen Ländern kommen, ist das eine stolze Summe.

Die Einhaltung der ILO-Regeln sowie nationaler Tarifverträge wird sogar gewerkschaftlich kontrolliert: Heute sind in der 1896 gegründeten Internationalen Transportarbeitergewerkschaft ITF Gewerkschaften aus über 130 Ländern zusammengeschlossen. Mitglieder sind auch mehr als 300.000 Hafenarbeiter. Erst das enge Zusammenwirken der Seeleute mit den Hafenarbeitern bringe „die Mächtigkeiten in den Häfen“, heißt es bei der ITF: Fällt ein Schiff bei der ITF-Inspektion durch, blockieren die „Docker“ das Schiff so lange, bis der Reeder einlenkt. Das funktioniert etwa in vielen europäischen Häfen gut.

Dennoch fallen bei den jährlichen ITF-Inspektionen immer wieder sogenannte Totenschiffe auf. Auch einige deutsche Reeder drücken oft die Heuer, arbeiten mit kurzfristigen Verträgen, vernachlässigen Sicherheitsbestimmungen. Und die seltenen Hafeninspektionen können nicht die Kontrolle durch die Flaggenstaaten ersetzen. Die meisten Frachter fahren unter Billigflagge.

Die meisten Frachter fahren unter Billigflagge. Kontrollen? Fehlanzeige

Ein Vorschlag nun: Die in London ansässige Gewerkschaft Nautilus International und ihre schwedische Partnerorganisation SEKO hat als Speerspitze der Internationalen Transportarbeitergewerkschaft die Kampagne „Fairer Transport“ gestartet. Alle Seeleute sollen in den Genuss des ILO-Tarifvertrages kommen. So hat man der Fairtrade Foun­dation in London vorgeschlagen, einen fairen Schiffstransport in die Fair-Trade-Bedingungen aufzunehmen. Dazu sollen „Reeder und maritime Gewerkschaften gemeinsam eine Stiftung ins Leben rufen, die mit der Verwaltung des Programms zum fairen Transport beauftragt wird“.

Händler in Deutschland sind skeptisch. „Fairtrade hat keine eigenen Schiffe, die Partnerunternehmen müssen Frachten auf großen Schiffen zubuchen“, sagt etwa Claudia Brück vom Dachverband Fairtrade in Köln. Weiterhelfen könnten „ausschließlich“ veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen.

Solche Argumente greifen aus Sicht von Torben Seebold zu kurz. Denn Händler, die Container nach Europa verschiffen, können sich eine Reederei aussuchen. Eine Unterscheidung in gute und schlechte Reedereien sei machbar. So gilt etwa Hapag-Lloyd unter Schifffahrtsexperten als „weißes Schaf“: Viele Frachter fahren unter teurer (deutscher) Qualitätsflagge, es gibt einen Betriebsrat und die überwiegend philippinischen Seeleute werden qualifiziert. Der Verdi-Bundesfachgruppenleiter Maritime Wirtschaft Seebold schlägt daher ein Siegel „Fair Transport“ vor. Er sagt: „Das Thema betrifft jeden fairen Konsumenten in Deutschland, bei jedem einzelnen Stück, das verschifft wird.“