Mehr Fotografie als Presse

Ausstellung Anhandvon Material aus der Sammlung Ullstein 1894–1945 wird im Deutschen Historischen Museum „Die Erfindung der Pressefotografie“ skizziert

Frauenrechtlerin Clara Zetkin (l.) im Foto von Erich Salomon Foto: © ullstein bild

Mit Betreten des Ausstellungssaales befindet man sich in einer Rotationsdruckmaschine – so suggeriert es das Design. Durch senkrecht stehende Rollzylinder läuft eine breite Papierbahn die Wände des Ausstellungsraums entlang und nimmt die Fotografien und erklärenden Texte auf. Mit der Rotationsmaschine konnte in hoher Auflage gedruckt werden, sie steht für den Beginn der Massenpresse, deren Voraussetzung der massive Einsatz von Bildern war. An vorderster Front dieser Entwicklung stand international der 1877 von Leopold Ullstein in Berlin gegründete Zeitungs- und Zeitschriftenverlag mit seinem 1894 erworbenen Titel Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ).

Mit dieser Wochenzeitung, die 1929 eine verkaufte Auflage von knapp zwei Millionen Exemplaren hatte, setzte eine Professionalisierung im Umgang mit der Fotografie ein, angefangen bei der Aufnahme durch die Fotografen, über den Vertrieb der Bilder durch Agenturen bis schließlich zur redaktionellen Bearbeitung und der Archivierung des Bildmaterials. Mit gewissem Recht können also die Kuratorinnen der Ausstellung, Carola Jüllig vom DHM und Katrin Bomhoff von ullstein bild, den Beginn der Erfindung der Pressefotografie auf den Erwerb der BIZ datieren.

Weniger gerechtfertigt ist indes der Titel selbst. Denn zwischen dem Rohmaterial der Fotografien (wie sie sich, wenig überraschend, in die drei Epochen Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittes Reich gegliedert an den Wänden finden) und ihrem Auftritt im Endprodukt der Illustrirten Zeitung, die aufgeschlagen in Vitrinen liegt, klafft eine große Leerstelle, die die Arbeit der Agenturen, vor allem aber der Bildredaktion im Ullstein-Verlag betrifft. Dort aber wurde die Pressefotografie als herausragendes Gestaltungsmedium der visuellen Öffentlichkeit erfunden.

Nur einmal liegt ein Brief von Kurt Korff, dem Chefredakteur der BIZ, aus, in dem er am 7. September 1931 Erich Salomon darauf aufmerksam macht, dass ihn sein Vertrag verpflichte, alle Fotos, auch die, die nicht für die BIZ gedacht sind, dort vorzulegen. Gleichzeitig annonciert er ihm die stolze Summe von 500 RM für eine Fotostrecke. So kompensierte Ullstein damals den geringen Spielraum beim Vertrag mit einem äußerst großzügigen Honorar.

Dass die Arbeit am und mit dem Pressebild, was seine Produktion, seinen Vertrieb und Verkauf, seine Veröffentlichung, Archivierung, Zensierung und Entsorgung angeht, in der Ausstellung so wenig Raum einnimmt, liegt zum einen daran, dass Redaktions- wie Ausschnittarchiv des Ullstein-Verlags in der Kochstraße am Ende des Krieges den Bomben zum Opfer fielen. Zum anderen aber wurde, wie so oft schon zuvor, auch diese Ausstellung des DHM in viel zu kurzer Zeit entwickelt. Nicht einmal der Katalog, den man unbedingt erwerben muss, will man verstehen, was die Erfindung der Pressefotografie für die Mediengesellschaft bedeutet, war von Anfang an vorgesehen.

Mehr als ein Anfang ist mit dem, was der neue Direktor Raphael Gross dort im Vorwort als „historische Medienkunde für eine breitere Öffentlichkeit“ beschreibt, nicht gemacht. Für ein Haus mit wissenschaftlichem Anspruch ist das zu wenig. Auch wenn der Ausstellungsrundgang spannende Bilder und Fotostrecken zeigt. Zeitgeschichtlich wird man dabei besser informiert als presse- und mediengeschichtlich.

Brigitte Werneburg

Bis 31. Oktober, Deutsches Historisches Museum, Unter den Linden 2, 10-18 Uhr, Katalog (Hatje Cantz) 19,80 Euro. Details zum Begleitprogramm mit Vorträgen auf www.dhm.de