Junioren im Geldregen

Fussball II Die U21-EM in Polen ist mehr als ein Nachwuchsturnier. Es geht um veritable Wertsteigerungen auf dem Transfermarkt. Und die sonst so betont vernünftigen Deutschen mischen kräftiger denn je mit

Vor dem großen Wurf? Italiens Keeper Gianluigi Donnarumma Foto: imago

KRAKAU taz | Vor ein paar Tagen geriet Italiens Torhüter Gianluigi Donnarumma in einen unerwarteten Geldregen. Als er, der am Samstag mit der U21 gegen Deutschland um den Einzug ins Halbfinale spielt, mit seinem Team gegen die Dänen antrat, wurde er aus dem Publikum mit Spielgeld beworfen. Fans reckten ein Plakat in die Höhe, und darauf stand: „Dollarrumma“. Was war geschehen, dass der erst 18-jährige Torhüter, der in Italien als größtes Torwart-Talent seit Gianluigi Buffon gefeiert wird, sich den Unmut der eigenen Anhänger zuzog?

Donnarumma hatte einen Fehler gemacht. Er hatte früh gesagt, er wolle am liebsten seine Karriere beim AC Milan beenden, wo er mit 16 Jahren zum Stammtorhüter wurde. Doch da sein Berater Mino Raiola ist, der schon den Rekordtransfer von Paul Pogba zu Manchester United abgewickelt hatte, erwies sich das Ewigkeitsversprechen als ziemlich kurzlebig. Er hat seinen 2018 endenden Vertrag nicht verlängert. Schon früh hatte Raiola begonnen, den Jungen auf dem Markt zu platzieren. Ende 2015 wähnte er ihn 150 Millionen Euro wert.

Nun will Milan Donnarumma nur gegen sehr viel Geld ziehen lassen, am liebsten zu Real, ansonsten könne Donnarumma sein letztes Jahr auch auf der Tribüne absitzen, heißt es aus Mailand. Insofern ist die EM für ihn enorm wichtig. Und er ist nicht der Einzige, für den es bei dem Turnier um viel geht. Ein englischer Torwächter namens Jordan Pickford will sich ebenso beweisen und rechtfertigen, dass er 34 Millionen Euro wert ist, die Everton für ihn bezahlt hat.

Auch Marco Asensio von Real Madrid hat Großes vor. Er, der in der Champions League gegen Bayern München brillierte, soll dem Vernehmen nach seinen Vertrag in Madrid verlängert haben. Enthalten sein soll eine Ausstiegsklausel, die die Ablösesumme auf 350 Millionen Euro festschreibt. Asensio ist auf bestem Wege, sich für einen Stammplatz bei Real zu empfehlen: Drei Mal hat er bisher getroffen. Dass er einst zum Sonderpreis nach Madrid kam, machte auch die Bayern neidisch. Nicht mal vier Millionen Euro kostete er. Bayern-Direktor Michael Reschke meinte, man müsste seinem Real-Kollegen José Angel Sánchez ein Denkmal für diesen Transfer setzen. Die ursprünglich aufgerufenen 4,5 Millionen Euro für Asensio waren dem FC Barcelona zu teuer. Überhaupt Barca: Spaniens Talente kommen zurzeit von woanders her. Besonders auffällig ist der Mittelstürmer Sandro aus Malaga. Der 22-Jährige , der aussieht wie 38 und spielt wie 27, hat seinen Marktwert schon beträchtlich gesteigert. Er kam übrigens gratis zu Malaga vom: FC Barcelona.

Längst ist die U21-EM mehr als nur ein Turnier des Nachwuchses. Hier geht es darum, sich anzubieten und jüngste Leistungssteigerungen geldwert zu präsentieren. Auch die Deutschen, die am Mittwochabend Dänemark souverän mit 3:1 bezwangen und sich so gern als die personifizierte Kaufmannsvernunft im Profifußball sehen, mischen kräftig mit. Max Meyer, der Schalker, hat zwar genau wie Donnarumma seinen Vertrag nicht verlängert, ist aber plötzlich wieder offen für Gespräche. Romantiker meinen, das hänge damit zusammen, dass mit Domenico Tedesco ein neuer Trainer auf Schalke sein Glück versucht. Es ist aber auch möglich, dass die Angebote nicht den Vorstellungen Meyers entsprechen. Ebenso geht es für Serge Gnabry um einiges. Er ist zwar schon vor dem Turnier für preiswerte 8 Millionen Euro von Bremen zu den Bayern gewechselt, doch bei ihm kreist die Diskussion um eine mögliche Ausleihe für das erste Jahr. Da er bisher exzellent spielt, sind seine Leistungen eine Empfehlung, um in München mit Franck Ribéry konkurrieren zu dürfen.

Hort Hrubesch, lange erfolgreicher Trainer der Junioren, versteht allmählich die Welt nicht mehr

Angeblich 20 Millionen Euro soll sich der BVB Freiburgs Maximilian Philipp kosten lassen. DFB-Sportdirektor Hort Hrubesch, lange erfolgreicher Trainer der Junioren, versteht allmählich die Welt nicht mehr: Er wisse nicht, ob das der richtige Weg sei. „Das ist unsere Pflicht, das jetzt so in die Bahn zu lenken, dass der Junge damit zurechtkommt“, sagte Hrubesch Sky. Er weiß um die Risiken für junge Spieler. Man muss nur auf Donnarumma schauen.

Stefan Osterhaus