Puerto ohne Ende

doping Elf Jahre nach dem Fuentes-Skandal sind die Namen noch immer nicht veröffentlicht

Die Laxheit verblüfft – gerade im Vergleich zur Causa Russland

BERLIN taz | Die Jubiläen jagen sich. Elf Jahre ist es her, dass die Razzien der Operación Puerto den Radsport erschütterten und den Grand Depart der Tour de France in Strasbourg 2006 zum Ratespiel werden ließen: Wer darf teilnehmen? Wer nicht? Zu den vom Tourveranstalter ASO als nicht würdig erachteten Profis gehörte damals der deutsche Superstar Jan Ullrich. Zehn Jahre ist es her, dass im deutschen Fernsehen Ullrichs Helferschar ein paar Reuetränen wegen zugegebenen Dopings verdrückte.

Und ziemlich genau vor einem Jahr erhielten die Dopingjäger der Weltdopingagentur Wada die 211 Blutbeutel, die von Operación Puerto noch übrig waren, aus einer Asservatenkammer der spanischen Polizei zur weiteren Analyse.

Doch die „Dopingjäger“ stellten sich eher als bedächtige Zertrampler von Spuren heraus. Zwar wurden etwa drei Dutzend Sportler identifiziert, denen die vom Frauenarzt Eufemiano Fuentes gelagerten Blutbeutel zugeordnet werden konnten. Die Namen der betreffenden Atleten hält die Wada aber unter Verschluss. Beim letzten Gremientreffen von Exekutivkomitee und Stiftungsrat der Wada im Mai produzierte das Thema nur einen dürren Vierzeiler im Protokoll: „Das Exekutivkomitee wurde gebeten, die nächsten Schritte der Wada im Fall von Operación Puerto zu entscheiden. Das Komitee bat die Wada, alle möglichen legalen und auch anderen Optionen zu verfolgen, um Gerechtigkeit für saubere Athleten zu erreichen.“ Das mutet wie ein Verwaltungsakt im legendären Orte Schilda an: Ratsherr A bittet Ratsherrn B, doch ein paar Schritte in einer Sache, die in As Verantwortungsbereich liegen, vorzuschlagen. Und B schlägt vor, dass A so weitermachen solle wie bisher.

In Spanien bricht wegen der Wada-Verzögerungstricks derzeit der Zorn aus. Von der Sportzeitung As bis zur Tageszeitung El Pais bedauert die Sportpresse, dass das Land als Dopingdepp dasteht, und fordert die internationalen Dopingjäger auf, endlich die ganze Wahrheit mitzuteilen.

Der frühere Polizeiermittler Enrique Gomez Bastida meinte in einem Gastbeitrag bei As sogar, Spanien müsse die Sache wieder in die Hand nehmen, auch um die eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Bastida, eine Zeit lang auch Chef der spanischen Antidopingbehörde, spekulierte, dass die Wada eventuell Schadensersatzklagen überführter Doper fürchten könne.

Klagen von Sportlern, deren Blut bei einem Frauenarzt gelagert wurde? Wie viel Chuzpe traut man da offensichtlichen Betrügern zu?

Zu denken gibt auch, dass bei den bislang untersuchten Blutbeuteln offenbar nur DNA-Abgleiche mit Radsportlern und Leichtathleten durchgeführt wurden, mit Fußballern, die ebenfalls vom Dopingarzt Eufemiano Fuentes betreut wurden, aber nicht. Insidern zufolge verfügt die Wada nicht über Vergleichsmaterialien von Fußballern. Die Laxheit, mit der das Verfahren betrieben wird, verblüfft – vor allem, wenn man es mit der doch größeren Energie in der Causa Russland vergleicht.

Trotz aller Pleiten ist Ex-Ermittler Bastida um ein positives Zwischenfazit bemüht. „Dass die Ergebnisse nicht die sind, die man von einer Ermittlung eines solchen Ausmaßes erhofft, kann demotivierend wirken“, teilt er der taz mit. „Ich möchte die Sache aber aus einer anderen Perspektive betrachten. Operación Puerto hat der Öffentlichkeit das Ausmaß des Dopings bekannt gemacht und zu verstehen gegeben, dass der Sport weit vom Idealzustand entfernt ist.“

Das Verschweigen der Namen überführter Betrüger könnte aber auch ein anderes Signal bedeuten: Mauern und Abstreiten lohnt sich. Tom Mustroph