Berliner Szenen
: Freundschaftsdienst

Der Räucherofen

Die Nummerierung der Wohnblöckewar seltsam

Freunde aus Frohnau hatten auf Ebay für 20 Euro einen gebrauchten Tischräucherofen in Lichtenberg erworben, mit dem sie Forellen räuchern wollen. Weil ich in Friedrichshain wohne und die Freunde keine Zeit hatten, das Teil abzuholen, baten sie mich, das zu tun. Ich fuhr mit dem Rad die Frankfurter Allee entlang. Nach Überquerung der achtspurigen Lichtenberger Brücke begann eine Plattenbautristesse, wie ich sie lange nicht gesehen hatte. Nach einigen Querstraßen ging es rechts in die Paul-Gesche-Straße, benannt nach einem Kommunisten und Widerstandskämpfer, wo der Verkäufer des Räucherofens wohnte.

Die Nummerierung der Wohnblöcke war so seltsam, dass ich mich inmitten der grauen traurigen Gebäude mit einigen kaputten Fensterscheiben und vielen Autos der Volkssolidarität verlor. Ein kräftiger tätowierter Mann, der auf einer Art umzäunten Spielplatz eine Art Hundepension betrieb, zeigte mir den Weg.

Als ich die Hausnummer gefunden hatte, schickte ich den Freunden in Frohnau eine Nachricht und fragte, ob der Räucherofen schon bezahlt sei. Nein, antworteten sie und baten mich, das Geld auszulegen. Da ich nichts dabeihatte, fuhr ich zur nahegelegenen S-Bahn Friedrichsfelde-Ost, wo es eine Sparkasse gab. Es hätte mich nicht gewundert, wenn der Geldautomat DDR-Scheine ausgespuckt hätte, so trist war es auch hier. Der Besitzer des Räucherofens war ein freundlicher älterer Russlanddeutscher, der gebrochen Deutsch sprach. Weil der Beutel, den ich zum Transport dabeihatte, zu klein war, gab er mir eine mehrfach geklebte Tasche eines Discounters. Auf dem Rückweg kam ich an einer Essenausgabe von „Leib und Seele“ vorbei, vor der einige Männer und Frauen standen. Der Deckel des Räucheröfchens klapperte fröhlich gegen mein Vorderrad. Barbara Bollwahn