Zum Niederknien gut

Tennis Der Spanier Rafael Nadal, 31, gewinnt die French Open zum zehnten Mal und verblüfft, weil er sich immer noch verbessert

Triumph und Tränen: Nadal ist von seinem Erfolg überwältigt Foto: ap

aus Paris Doris Henkel

Am Montag war es nicht mehr so heiß, über Nacht war kühle Luft herangezogen. Es wehte ein leichter Wind, ein paar knuffige Wolken trieben sich am Himmel herum, und Rafael Nadal saß auf einem Hausboot am Ufer der Seine. Was sein muss, muss sein, auch nach bombastischen, historischen Siegen. Natürlich lächelte er beim Fototermin am Tag nach seinem zehnten Triumph in Paris, aber es steckte schon Müdigkeit in diesem Lächeln, denn die Interviewrunden hatten mehr als doppelt so lange gedauert wie das Spiel.

Auch am Tag danach rollten in den sozialen Netzwerken die Glückwünsche unzähliger Kollegen an. Bin sprachlos – unglaublich – magisch, das sind die Worte, die fast immer vorkamen. Der Preis für den witzigsten Beitrag geht ganz klar an den Brasilianer Bruno Soares, Doppelspezialist und stolzer Besitzer zweier Grand-Slam-Titel. Er schrieb: „Ist leicht, zehnmal die French Open zu gewinnen, wenn du Rafa bist. Würde gern sehen, ob Rafa so viel gewinnen würde, wenn er ich wäre.“

Was La Decima für den Spanier bedeutet, war vor allem in den ersten Momenten auf dem Podium zu sehen, als er den Pokal wie einen Schatz liebkoste. Anders als sonst, hingebungsvoller. Die Namen Rafael Nadal und Roland Garros werden ohnehin für immer zusammengehören. Aber beim Sieg vom Sonntag konnte man auch Neues entdecken. Wie Roger Federer, dessen renovierte Rückhand einen wesentlichen Anteil am Titel bei den Australian Open und anderen in diesem Jahr hatte, ist auch Nadal mit der Hilfe seines Onkels Toni Nadal und seines neuen Coaches Carlos Moya ständig auf der Suche nach Verbesserungen. Der in diesem Finale chancenlose Wawrinka findet, Nadal habe nie besser gespielt als dieser Tage. Er selbst sagt: „Ich weiß nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein. Aber ich hab keinen Satz verloren, also hab ich vermutlich gut gespielt.“

Der Schwede Mats Wilander schreibt dazu in seiner Kolumne für die französische Sportzeitung L’Équipe, überraschend sei nicht, dass Nadal gewonnen habe, als vielmehr, wie er es getan habe – mit einer deutlich verbesserten Rückhand, die den Gegnern nun noch weniger Luft zum Atmen lasse.

„Ich hab keinen Satz verloren, also habich vermutlichgut gespielt“

Rafael Nadal

Roland Garros ist Geschichte, La Decima ist ein unbestreitbarer, phänomenaler Fakt, aber der Ball rollt schon weiter. Rafael Nadals nächster Auftritt steht in den kommenden Wochen beim Rasenturnier im Londoner Queen’s Club auf dem Programm. Sein Rivale Federer wird nach zehn Wochen Pause beim Mercedes Cup in Stuttgart starten. Für den Schweizer wird es danach bei den Gerry Weber Open in Halle weitergehen.

Ist es nicht eine verführerische Vorstellung, dass sich die beiden in Wimbledon begegnen könnten, vielleicht wieder im Finale? Nicht so schnell, sagt Nadal. „Es ist eine Weile her, dass ich in Wimbledon gut gespielt habe. Nach 2012 wurde es wegen meiner Knie auf Rasen immer schwerer für mich – das ist die Realität. Wenn ich Schmerzen in den Knien habe, das weiß ich aus meiner Erfahrung, dann kann ich unmöglich gut spielen. Ich brauche starke Beine, und ich muss in die Knie gehen können, und wenn ich dieses Gefühl nicht habe, dann sind meine Chancen nicht allzu groß.“

Falls es ihm und den jahrelang strapazierten Knien gut geht, ist jedenfalls eine große Chance vorhanden, dass er sich in der Weltrangliste dem Spitzenreiter Andy Murray nähert. Der Schotte hat im Moment rund 2.000 Punkte Vorsprung auf Nadal, der nach seinem Triumph in Paris zum ersten Mal seit Herbst 2014 wieder auf Platz zwei steht. Aber im Gegensatz zu Murray, der 2016 sowohl in Queen’s als auch in Wimbledon gewann, hat der Spanier aus der Rasensaison keine Punkte zu verteidigen. Im vergangenen Jahr hatte er Paris mit einer Entzündung im linken Handgelenk verlassen und war erst im August bei den Olympischen Spielen in Rio wieder aufgetaucht. Damals gab es viele Zweifel, ob er jemals wieder so gesund sein würde, um noch mal um große Titel zu spielen. Am meisten zweifelte er vermutlich selbst. Auch deshalb ist La Decima viel mehr als eine Zahl.