Beim Feinstaub droht Rollback

Geteiltes Echo auf die EU-Pläne zu Aufschub bei der Luftreinhaltung: Gemeinden freuen sich über möglichen Spielraum, Umweltministerium befürchtet Aussitzen

BERLIN taz ■ Der Vorschlag von EU-Kommissar Stavros Dimas, die Feinstaub-Richtlinie abzuschwächen, ist beim Bundesumweltministerium auf wenig Gegenliebe gestoßen. „Die Gefahr ist groß, dass die Kommunen ihn nun als Freifahrschein nutzen und auf Zeit spielen“, sagte Michael Schroeren, Sprecher von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Der Deutsche Städtetag hingegen begrüßte die Idee, den Kommunen bei der Bekämpfung der Feinstaubbelastung Aufschub zu geben. Einige Städte, darunter Berlin, Braunschweig und Hannover, teilten allerdings auch mit, dass sie an ihren Sofortprogrammen festhielten.

Die winzigen Staubpartikel, die unter anderem aus Dieselruß stammen und als stark gesundheitsgefährdend gelten, hatten zuletzt für viel Aufregung gesorgt. Denn seit Januar sieht das EU-Recht vor, dass pro Kubikmeter Luft maximal 50 Mikrogramm Feinstaub gemessen werden dürfen. Wird dieser Grenzwert an mehr als 35 Tagen überschritten, müssen die Kommunalpolitiker eingreifen und beispielsweise Verkehrsleitsysteme entwickeln oder Fahrverbote verhängen. Den Aufzeichnungen des Umweltbundesamtes zufolge trifft das bis jetzt mindestens 21 Städte und Gemeinden. Wer nichts tut, muss mit Klagen rechnen – und damit, dass die Gerichte diese zügig verhandeln. In einigen Fällen waren die Kläger bereits erfolgreich.

Umweltkommissar Dimas will die Richtlinie nun modifizieren. Wer nachweisen kann, dass die geografische Lage den Kampf gegen die Minipartikel erschwert, soll künftig bis zu fünf Jahre Aufschub bekommen. Davon könnten Städte in Kessellage wie Stuttgart oder mit häufigeren Inversions-Wetterlagen wie in Oberitalien profitieren. Aber auch Duisburg, das wegen des atlantischen Klimas über hohen Salzgehalt in der Luft klagt. Nicht zuletzt nützt die Neuregelung aber auch der Industrie: Deren Belastung soll von rund 11 auf 7,1 Milliarden Euro jährlich sinken.

Schroeren dagegen fürchtet einen Rückschritt bei der Luftreinhaltung. Zwar seien für die Ausnahmen „recht strenge Auflagen“ vorgesehen – so müssten die Städte einen genauen Plan vorlegen. „Die Frage ist, wie die Kommission den überprüft“, so Schroeren. „Wir wollen die Maßnahmen nicht auf den St. Nimmerleinstag verschieben.“ Im Übrigen werde schon jetzt berücksichtigt, wenn Feinstaub etwa aus anderen Regionen in die Städte getragen werde. Mehr Ausnahmen seien nicht nötig.

Ein genauer Blick zeigt allerdings bei dem Vorschlag auch Fortschritte. So weist der Verkehrsexperte des Umweltverbandes BUND, Wolfgang Reh, auf verschärfte Grenzwerte für Feinststaub hin: „Ab 2010 sollen auch sehr kleine Partikel von 2,5 Mikrometern gemessen werden.“ Die gelten als besonders gefährlich, wenn sie in die Lunge eindringen. Bislang habe man nur Staubteile ab 10 Mikrometern erfasst. Zudem sollen bei Dieselautos strengere Grenzwerte gelten – nicht nur beim Feinstaub, sondern auch bei Stickoxiden. Reh: „Ein klares Signal in Richtung Rußfilter.“

Alles kommt also darauf an, wie die Richtlinie nach den anstehenden Abstimmungen im Europaparlament im Detail aussieht. „Hier muss noch viel Lobbyarbeit gemacht werden“, meint Reh. Bei der neuen Zusammensetzung des EU-Parlaments mit vielen osteuropäischen Abgeordneten sei das nicht gerade leichter geworden. BUND und Umweltministerium sind sich jedenfalls einig: „Es darf keinen Rollback beim Feinstaub geben.“

RAFAEL BINKOWSKI