Radrennen der Amateure: Anspruchsvolle Hügel

Vielleicht ließe sich die Landschaft zwischen dem Lago di Varese und dem Lago Maggiore anders besser genießen – als ausgerechnet auf dem Rad.

Ein Boot auf einem See

Viel zu schade, um durchzubrettern: Blick vom Kloster Ererno di S.Caterian del Sasso Foto: Markus Kirchgessner

Seit 1919 findet alljährlich Ende September rund um die norditalienische Stadt Varese ein professionelles Radrennen statt, zu dem die großen Teams, die früher im Jahr den Giro d’Italia und die Tour de France gefahren sind, ein weiteres Mal gegeneinander antreten. Favorit 2106 war das Team Astana und dessen Fahrer Vincenzo Nibali. Er hatte offensichtlich Spaß daran, einige der ambitionierteren Freizeitradler etwas aufzumischen. Überraschte Gesichter, ärgerliche Kommentare: Warum will der Champion bei den Amateuren mitspielen?

Das Feld der Radsportler zieht sich in die Länge. Die hügelige Landschaft zeigt hier jedem Einzelnen, dass ein vorderer Platz nicht allein durch ein teures Carbonrad zu erzielen ist, sondern regelmäßiges Training erfordert. Das Seenland der nördlichen Lombardei, östlich des Lago Maggiore und südlich ans Tessin angrenzend, hat sich aufgrund seiner anspruchsvollen Hügellandschaft und des angenehmen Klimas bis weit in den Herbst hinein zu einem beliebten Reiseziel für Rennradfahrer entwickelt. Auch eine Infra­struktur, die es dem Radler leicht macht, ist vorhanden.

Zwölf Hotels haben sich unter dem Namen „Lago Maggiore Bike Hotels“ zusammengeschlossen. Dort gibt es keine abfälligen Blicke, wenn am späten Nachmittag verschwitzte oder schlammbespritzte, nicht mehr ganz blütenfrisch duftende Männer an der Rezeption stehen. Vielmehr wird ihnen der Weg zum Fahrradraum gezeigt, und, falls erforderlich, der Mechaniker gerufen, der etwaige technische Defekte rechtzeitig vor der Ausfahrt am kommenden Morgen beseitigt.

Die Hoteliers sind oft selbst begeisterte Radler. Tourempfehlungen für ihre Gäste bereichern sie mit zahlreichen persönlichen Tipps. Fahrradfreunde, die über das entsprechende Fahrradnavi verfügen, können sich eine Auswahl an Touren auf ihr Gerät laden. Und dann können sie sich, je nach Tageslaune, beispielsweise für eine Mountainbikestrecke entscheiden, um etwa auf einer Distanz von wenig mehr als 30 Streckenkilometern 1.350 Höhenmeter zu bewältigen.

Granfondo Tre Valli Varesine: Start am 1. 10. 2017. www.trevallivaresine.com/granfondo_tre_valli_varesine_2017

Fahrradtourenveranstalter: Geführte Tagestouren, komplett organisierte Fahrradreisen, Vermietung von Rennrädern oder Mountainbikes. Die Qualität der Mieträder ist außergewöhnlich gut. www.puntotours.com

Hotels: Zusammenschluss fahrradfreundlicher Hotels zwischen Lago Maggiore und Lago di Varese. Die Hotels verfügen alle über abschließbare Fahrradräume, Reparaturmöglichkeiten, spezialisierte Menüs. Fahrradverleih und ein Übernachtwaschservice für die Trikots ist vorhanden. www.lagomaggiorebikehotels.it/de

Weite Blicke, erfrischende Seen

Belohnt wird die Schinderei mit Ausblicken über die Voralpen, zum Monte Generoso und zum mächtigen Massiv des Monte Rosa. Oder sie schwingen sich auf den Sattel eines Rennrads und wählen die „7-Seen-Tour“: 1.000 Höhenmeter verteilen sich hier auf einer Strecke von 116 Kilometern.

Da es aber auf kleinen, asphaltierten Straßen bergan geht, erscheinen die Anstiege „fast“ mühelos. Und war ein Anstieg zu schweißtreibend, verschafft ein Bad im Lago die Varese, im Lago Maggiore oder im kleinen, erfrischenden Valganna-See die gewünschte Abkühlung.

Kommt zur sportlichen Begeisterung ein Interesse an Kultur und Geschichte hinzu, könnte die Wahl auf eine Tour zum Borromeischen Schloss in Angera und zum archäologischen Park von Castelseprio fallen (94 km; 790 Höhenmeter). Aber wie auch immer der Radler sich entscheidet, schweißtreibende Anstiege sollten ihm nicht ganz zuwider sein. Liebhaber des anstrengungslosen Pedalierens am Ufer eines Kanals oder durch die norddeutsche Tiefebene werden aufgrund der geografischen Bedingungen der Region eher früher als später frustriert aufgeben.

Für ambitionierte Radsportler, die sich nicht selbst um die Routenführung kümmern wollen, sondern gern mit erfahrenen Radlern in einer kleinen Gruppe über Seitenstraßen oder auf Mountainbiketrails fahren, gibt es Puntotours. Andrea, Vincenzo oder einer seiner Freunde passen die jeweilige Route dem fahrerischen Können und den Wünschen ihrer Kunden an. Nicht ausgeschlossen, dass dabei auch eine längere Rast in einer schön gelegenen Trattoria mit berücksichtigt wird.

Überwiegt das kulinarische Interesse das sportliche, sind die Gourmettouren des Anbieters, der sich mit dem schönen Slogan „Veni – vidi –bici“ präsentiert, die erste Option.

Eine Stadt im Ausnahmezustand

Am Tag des Profirennens, dem „Tre Valli Varesine“, darf der Freizeitradler sich etwas Erholung gönnen. Das eigene Velo bleibt im Fahrradraum des Hotels. Die 80.000-Einwohner-Stadt Varese ist dann im Ausnahmezustand. Schon am frühen Morgen geht gar nichts mehr. Die gesamte Innenstadt ist für den Autoverkehr gesperrt, und schon lange vor dem eigentlichen Beginn des Rennens säumen Fahrradbegeisterte die Straßen, an denen der Peloton vorbeibrausen wird.

Das Rennen beginnt im knapp 80 Kilometer entfernten Saronno. Die Strecke führt zuerst recht eben in Richtung Nordwesten, zieht sich durch die Hügellandschaft westlich des Lago di Varese in Richtung Tessin, um dann durch den Regionalpark Campo dei Fiori von Norden her Kurs auf Varese zu nehmen. Und damit die Schaulustigen sich an der Plackerei der Radprofis auch ausgiebig delektieren können, führt sie nicht nur einmal in einer Runde ums Stadtzentrum.

Gleich neunmal sind die letzten 12,8 Kilometer zu absolvieren, bis nach 192,2 Kilometer endlich das Ziel erreicht ist. Die gesamte Stadt pulsiert in Begeisterung für den Radrennsport. Die Jungs von Varese, so wird erzählt, träumen auch heute davon, Profiradfahrer zu werden.

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