Rückschritt Donald Trump manövriert die USA beim Klimaschutz ins Abseits. So fördert er ungewollt neue Hoffnungsträger
: Drei für die Zukunft

Jerry Brown: Postfossiles Leben in den USA beginnt in Kalifornien

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Er war der erste Rock-’n’-Roller der amerikanischen Politik. In den 70ern, während seiner ersten Zeit als Gouverneur von Kalifornien, war Jerry Brown mit dem Rockstar Linda Ronstadt zusammen. Mehr ging damals nicht. Dafür ernannte ihn der Rolling Stone zum „Groupie of the Year“.

Aber der Demokrat Brown war nie Hippie oder Hedonist, sondern laut Ronstadt ein sehr disziplinierter und ernsthafter Mann. Und er war der erste Öko. In Kalifornien propagierte er bereits Windenergie und stellte Solaranlagen auf die Dächer, als die deutschen Grünen noch nicht mal gegründet waren.

Heute ist Brown 79, seit sechs Jahren erneut kalifornischer Gouverneur. Und die letzte Hoffnung auf den Übergang in eine postfossile Welt?

Nein, das wäre überzogen.

Aber er ist jetzt die wichtigste und sichtbarste Symbolfigur für den Kampf gegen den Klimawandel unterhalb der Staatenebene. Nach Trumps Rede war er sofort zu Stelle mit einer öffentlichen Gegendarstellung von Trumps Logik, dass postfossiles Leben auf Kosten amerikanischer Arbeitsplätze gehe. „Insane“ nannte Brown diese Position, wahnsinnig. Mit Kollegen anderer Staaten kündigte er eine Allianz für das Einhalten des Klimaabkommen von Paris an.

„Gott sei Dank gibt es nicht nur Trump“, sagt der baden-württembergische Energie- und Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Untersteller war 2014 nach Sacramento gereist, um den Gouverneur im Angesicht der stockenden staatlichen Fortschritte für ein Bündnis zu gewinnen. Der etwas grummelig daherkommende Brown habe mit einer Miene zugehört, dass Untersteller schon wieder abreisen wollte, aber nach 15 Minuten habe er gesagt: „Großartige Idee.“

Heute ist die Unter-2-Grad-Koalition der Bundesstaaten und Regionen das weltgrößte Bündnis auf subnationaler Ebene mit 170 Mitgliedern, die 1,2 Milliarden Menschen repräsentieren. Entgegen den Popmythen passieren auch in Kalifornien keine Wunder. Auch hier reicht es längst nicht, aber immerhin hat Brown in Bereichen wie erneuerbare Energie, saubere Autos und Emis­sionshandel Standards gesetzt, die in den USA ganz vorn sind und die auch auf den Rest des Landes ausstrahlen.

Trump hin oder her, der Gouverneur arbeitet seit Jahren an den verschiedensten Allianzen und ist regelmäßig in China, jetzt gerade wieder.

Das ist vielleicht die symbolisch wichtigste Botschaft: Wer Zukunft sucht, blickt heute nach Osten. Aber Kalifornien, der westlichste Westen, das Symbol für das Großartige, aber auch die Verwerfungen unseres Strebens, glaubt an seine Zukunft – und kämpft dafür. Nicht gegen die Weltgesellschaften wie Trump, sondern gegen ihren Untergang. Peter Unfried

Li Keqiang: baut auf, baut ab

Foto: Olivier Hoslet/ap

Gewissermaßen war Li ­Keqiang der Schnellste. Noch weit vor Emmanuel Macron reagierte er auf den Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen – am Donnerstag nämlich schon, da versprach der chinesische Ministerpräsident in Berlin: „China steht zu seiner internationalen Verantwortung.“ Es werde „seinen Teil zu einem grünen und nachhaltigen Wachstum der Weltwirtschaft“ leisten.

Viele Details über das umweltpolitische Profil von Li Keqiang sind nicht bekannt. Aber Chinas Bemühungen sind offensichtlich. Klimaexperten loben, dass es im Kampf gegen die Treibhausgase eine immer klarere „Führungsrolle“ einnehme.

2016 hat China auch dank des schwächeren Wirtschaftswachstums 4,7 Prozent weniger Kohle als im Vorjahr verbraucht – der dritte Rückgang in Folge. Die Entwicklungs- und Reformkommission (NDR) hatte bereits vor einigen Monaten angedeutet, dass Chinas CO2-Ausstoß womöglich bereits 2014 seinen Höchststand erreicht hatte.

Li Keqiang hat sich dafür ausgesprochen, Kohlekraftwerke und Schwerindustrie zu reduzieren, und anders als für Trump ist der Abbau von Arbeitsplätzen für ihn keine Hürde. Schon 2016 mussten Tausende von Fabriken schließen. 1,3 Millionen Arbeitsplätze fielen in der Kohleindustrie weg, weitere 500.000 in der Stahlindustrie. Li betont aber, dass mit den Erneuerbaren viele neue Jobs entstehen.

Schon jetzt ist China im Aufbau der Solar- und Windenergie weltweit führend. Im aktuellen Fünfjahresplan bis 2020 sind weitere Investitionen von umgerechnet rund 360 Milliarden Euro vorgesehen. Die Leistung der Windenergieanlagen soll von 151 Gigawatt auf über 205 Gigawatt steigen. Bei Solarstrom ist gar eine Verdreifachung vorgesehen. Zu den 3,5 Millionen in der Erneuerbare-Energien-Industrie beschäftigten Chinesen sollen weitere zehn Millionen hinzukommen.

Auch soll es eine Quote für Autos mit alternativen Antrieben von 8 Prozent des Absatzes geben. Diese wird allerdings, wie gestern bekannt wurde, nicht 2018, sondern erst 2019 kommen – auch auf Druck der deutschen Autoindustrie.

Im Kampf gegen die Erderwärmung und den Smog in den Großstädten sieht die Regierung allerdings auch den massiven Ausbau von Atomkraft als unverzichtbar an. Rund 80 neue Atomkraftwerke sollen allein in den nächsten 15 Jahren gebaut werden. (mit Agenturen)

Felix Lee, Michael Brake

Emmanuel Macron: mit gutem Timing und ohne Plan B

Foto: C. Tesson/ap

So landet man einen politischen Coup. Weniger als zwei Stunden nach der Bekanntmachung Trumps, dass die USA sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen werden, trägt Emmanuel ­Macron am Donnerstagabend im Fernsehen zur Debatte bei und präsentiert sich als Wahrer des Pariser Abkommens.

Während in Pressemitteilungen aus aller Welt Bedauern über Trumps Entscheidung ausgedrückt wird, zeigt der französische Präsident Beweglichkeit und ein gutes Gefühl für Timing – Vorteile in der Politik wie auch in der Diplomatie, erst recht, wenn man das Ganze mit Leichtigkeit handhabt.

Indem er sich erst in französischer und anschließend – eine Premiere für einen französischen Präsidenten – in englischer Sprache äußert, wendet sich Macron an die Welt und, noch spezifischer, an die Amerikaner. 60 Prozent von ihnen wollen im Klimaabkommen bleiben, auch wenn 55 Prozent der Republikaner sich für den Austritt aussprachen. ­Macrons englische Ansprache und sein Aufruf an amerikanische Wissenschaftler und Ingenieure, nach Frankreich zu kommen, wird jenseits des Atlantiks direkt übertragen. Sein Fazit „Make our planet great again“, eine schöne Anspielung auf Trumps Wahlkampfslogan, wird sofort in den sozialen Netzwerken aufgegriffen und so in die Welt getragen.

Zwischen Trumps Ankündigung und seiner eigenen Rede sprach Macron am Telefon mit dem US-Präsidenten. Er suchte auch sofort den Austausch mit Angela Merkel, sodass es eine scharfe Reaktion in Form einer Pressemitteilung aus Paris, Rom und Berlin gab – als müsste aus dem amerikanischen Fehler eine europäische Stärke gemacht werden. Erst letzte Woche hatte die deutsche Kanzlerin geurteilt, dass Trumps USA und Großbritannien nach dem Brexit keine verlässlichen Partner mehr seien und dass Europa sich mehr auf sich selbst konzentrieren sollte.

Während der US-amerikanische Präsident das Klimaabkommen neu aushandeln will, schließt Macron diese Möglichkeit aus: „Es gibt keinen Plan B, weil es keinen Planeten B gibt.“

Am 11. Juni findet die erste Runde der französischen Parlamentswahlen statt, und es ist nicht verboten, die nationalen Absichten in Macrons internationalen Ausflügen zu sehen. Der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden, dass Umweltfragen in Macrons Programm eher im toter Winkel waren – auch wenn Macron einen großen Kraftakt unternimmt, um den französischen Journalisten und Umweltschützer Nicolas Hulot für seine Regierung zu gewinnen.

Aber weil zur Politik auch günstige Gelegenheiten gehören, könnte Macrons Politik sich jetzt ganz schnell grün färben – er kann damit fast nur gewinnen. „Wir halten nicht nur unsere bisherigen Verpflichtungen ein“, sagte er. „Frankreich sollte noch mehr tun.“ Die Zukunft des Planeten wird zur Chefaufgabe.

Über die (schönen) Worte hinaus erwarten Stiftungen, NGOs und die Öffentlichkeit jetzt Taten von Macron und der Regierung. Emmanuel Macron hat in dieser Hinsicht noch einiges zu beweisen, bisher hatte seine Politik eher einen bitteren Geschmack bei Umweltschützern hinterlassen.

Trump zu belehren, ist eine Sache. Ein großer Akteur des ökologischen Wandels zu werden, ist eine andere. Dabei soll Hulot im Regierungsamt helfen. Jonathan Bouchet-Petersen

Übersetzung: Belinda Grasnick