„Jugendliche wollen keine Drogen nehmen“

RAUSCH Der Berliner Jugendverein Juvente hat den Drogenpräventionspreis des Europarats bekommen. Max Vollmer, 26 Jahre alter Juvente-Präsident, über Klischees zum Drogenkonsum, Kiffen und Coolness

■ 26, arbeitet als Informatiker bei einer Firma für Sicherheitssoftware und ist Präsident der Jugendorganisation Juvente. Sein Ziel: eine Gesellschaft, in der Alkohol nicht als Genussmittel, sondern als gefährliche Droge eingestuft wird.

taz: Herr Vollmer, wieso gründet man als junger Erwachsener einen Verein wie Juvente?

Max Vollmer: Wir haben keinen Bock, auf Partys von betrunkenen Menschen angepöbelt zu werden. Wir wollen auch nicht auf einem Zeltlager mit Zigarettenrauch belästigt werden. Und es ist extrem nervig, immer wieder ungefragt Drogen angeboten zu bekommen und Nein sagen zu müssen. Wir wollen unser Leben leben, ohne ständig Alkohol und andere Drogen thematisieren zu müssen.

Spielen auch familiäre Erfahrungen zum Beispiel mit Alkoholabhängigkeit eine Rolle?

Es gibt sicher Jugendliche bei Juvente, die solche familiären Erfahrungen gemacht haben. Es gibt auch wenige jugendliche trockene Alkoholiker bei uns. Wir führen aber nicht Buch, wer warum bei Juvente ist. Und wir sind keine Selbsthilfeorganisation.

Oft heißt es, es gebe Phasen des Ausprobierens, in denen Jugendliche Alkohol trinken oder kiffen. Spielt Gruppenzwang dabei eine Rolle?

Es ist weniger der Gruppenzwang als das von den Medien aufgeblasene Klischee des Drogen konsumierenden Jugendlichen. Jugendliche nehmen die Welt so wahr, wie sie ihnen über Internet, Fernsehen und Kino vorgelebt wird. Wenn Kiffer als cool präsentiert werden, verfälscht das die Wahrnehmung. In der Tat wollen drei Viertel aller Jugendlichen keine Drogen nehmen. Dennoch glauben die meisten von ihnen, dass sie die Einzigen sind, die so denken. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie den Jungs und Mädels die Schuppen von den Augen fallen, wenn man das einfach mal anspricht.

„Es gibt keinen maßvollen Umgang mit Drogen“

Haben Sie schon mal überlegt, den maßvollen Umgang mit Genussmitteln oder weichen Drogen statt den völligen Verzicht zu thematisieren?

Es gibt keinen maßvollen Umgang mit Drogen, insbesondere mit solchen, die süchtig machen. Sie sind immer und in jeder Dosis gefährlich. Wir wollen einfach ohne dieses Zeug Spaß haben. Wer da mitmachen will, ist herzlich willkommen. Wir verzichten übrigens auf gar nichts, im Gegenteil.

Wollen Sie auch die Jugendlichen erreichen, die zwar nicht abstinent leben, aber Juventes Werte wie friedliches und tolerantes Zusammenleben und Verantwortungsbewusstsein teilen?

Wir sind für alle Jugendlichen offen. Ich persönlich glaube aber nicht, dass es Jugendliche gibt, die nicht drogenfrei leben wollen. Jugendliche wollen Spaß haben, dazugehören, ernst genommen werden, sie wollen lieben und leben. Dass die Industrie diese wichtigen und schönen Aspekte des Lebens mit ihren Drogen in Verbindung bringt, führt leider dazu, dass manche Jugendliche darauf hereinfallen. Wenn man einem Jugendlichen vor dem Erstkonsum glaubhaft sagt: „Ey, du brauchst das Zeug gar nicht“, dann wirkt das schon.

Sollten Drogen ganz verboten werden?

■ Juvente ist ein Verein von und für Jugendliche, die bewusst alkohol- und drogenfrei leben wollen. Den 12 bis 27 Jahre alten Mitgliedern soll etwa auf Freizeitcamps ermöglicht werden, sich mit Gleichgesinnten für ein von Drogen unabhängiges Leben und friedliches Miteinander einzusetzen. Am 14. November hat Juvente den mit 5.000 Euro dotierten Drogenpräventionspreis der Pompidou Group des Europarats gegen Drogenmissbrauch und -handel erhalten, der alle zwei Jahre verliehen wird.

Das halte ich deshalb für nicht sinnvoll, weil dadurch suchtkranke Menschen kriminalisiert werden. Genauso wie man Querschnittsgelähmte nicht bestraft, weil sie nicht gehen können, sollte man Suchtkranke nicht bestrafen, weil sie ihr Handeln nicht kontrollieren können. Es muss süchtigen Menschen möglich sein, ihren Suchtstoff ohne Stigmatisierung und Kriminalisierung unter ärztlicher Aufsicht zu bekommen – mit der Möglichkeit zur Therapie.

INTERVIEW: JÖRG KÖSTERS