Umgang mit Schwangeren: Was sie nicht hören wollen

Ein runder Bauch zieht Kommentare von Außenstehenden an, die gerne mal nach hinten losgehen. Acht Sprüche, die die Welt nicht braucht.

Der Bauch einer Schwangeren, auf dem Hände liegen

Kein Kommentar! Foto: dpa

Die erste Schwangerschaft. Das erste Kind. Am Anfang kann man es ja gar nicht fassen. Egal, ob das kleine Bündel sich teilender Zellen mit viel Zeit, viel Hoffen und viel Üben gezeugt wurde oder gleich auf Anhieb entstanden ist: Es ist und es bleibt auch noch eine ganze Weile absurd, dass da ein Kind kommt. Und diese endlosen drei Monate, die man abwarten muss, bis die Freude mit anderen geteilt werden kann. Zu groß die Sorge, es zu verlieren. All die Sorgen. Ist es noch da, ist es gesund, wird das Herz auch beim nächsten Arzttermin noch schlagen? Ganz zu schweigen von der Übel- und der Müdigkeit, die man im Alltag so gut es geht zu kaschieren versucht. Und wenn dann ab dem vierten Monat nach und nach alle – auch Bekannte und Arbeitskollegen – endlich Bescheid wissen, ist es nicht nur eine enorme Erleichterung, es ist auch der Startschuss für diverse Bemerkungen, die man sich, sofern man den Eltern nicht sehr, sehr nahe steht, unter Umständen auch sparen könnte.

„Also ich finde ja, dass es auf der Welt schon genug Kinder gibt.“

Aus dem philosophischen Blickwinkel eines mit globaler Schuld beladenen mitteleuropäischen Menschen hat diese Feststellung bestimmt irgendwo ihre Berechtigung. Aber muss man sich diesen Schuh als Schwangere wirklich anziehen? Muss wer ein Kind gezeugt hat tatsächlich ein schlechtes Gewissen haben, weil er Mutter Erde um die Ecke bringt? Wie viele Langstreckenflüge sind denn überhaupt so ein Kind? Und kann man den Nachwuchs mit dem Verzicht auf, sagen wir, Plastik wieder gutmachen? Oder müssen Eltern einfach damit leben, dass es vielleicht ausgerechnet ihr kleiner Justus-Tizian war, der das Fass zum Überlaufen brachte und den Planeten unwiederbringlich in die Krise stürzte?

Schwer zu beantworten. Aber wen es beruhigt: Zumindest in Europa sind die Bevölkerungszahlen rückgängig, zeigt eine Prognose der UN. Bis 2090 sollen die Bevölkerungszahlen in Europa um rund 100 Millionen sinken, in Deutschland sollen dann nur noch 65 Millionen Menschen leben. Das gilt natürlich nicht für alle Teile der Welt. Aber, ob es notwendig ist, einer werdenden Mutter im Vorbeigehen die Schuld an der globalen Überbevölkerung umzuhängen? Vielleicht nicht.

„Also mich überrascht das jetzt nicht, dass ihr ein Kind kriegt.“

Gerne gesagt zu verhaltensun­auffälligen Paaren, die schon eine Weile zusammen und in deutlich gebärfähigem Alter sind. Soll heißen: Zu wenig Drama, Baby! Wenn man also kein Teenager ist, das Kind nicht bei einem One-Night-Stand oder zumindest unabsichtlich gezeugt wurde, ist das Ganze total unspektakulär. Richtige Antwort: „Sehr schade. Dabei war das Einzige, woran wir bei der Zeugung ständig gedacht haben, dein überraschtes Gesicht.“

„Das ist aber nicht gut für deine Karriere.

Das fühlt sich tatsächlich an, als wäre man irgendwo falsch abgebogen und an einem Ort gelandet, den man noch nie in seinem Leben gesehen hat. Gerade wenn man diesen Satz von einer vermeintlichen Feministin hört. Also was tun? In Verteidigungsmodus springen? Finanzielle Aspekte vorschieben, um sich nicht mit dem rüschenbesetzten Wunsch nach Zeit mit dem eigenen Kind komplett bloßzustellen? Ein geplatztes Kondom erfinden, um den vermeintlich mangelnden Elan in Karrieredingen noch schnell zu verschleiern? Oder sich vielleicht doch einfach darauf berufen, dass man die Entscheidungen über die eigene verdammte Lebenszeit ja wohl selbst treffen kann? Schwierig.

„Also bei meiner Freundin (Name) war der Bauch nicht so groß/klein – bist du sicher, dass du keine Zwillinge kriegst/dass da überhaupt jemand drin ist?“

Das kommt gerade recht. Da hat man sich eben von der ersten Panik erholt, kommen schon die Leute an, die einem so zwischen Tür und Angel erklären, dass man nicht aussieht, wie sie meinen, dass man eigentlich aussehen sollte. Meist basiert diese Erkenntnis auf einer herausragenden Summe von ein bis drei Schwangerschaften, die sie selbst, die Frau oder Freundinnen durchlebt haben und der völlig unerklärlichen Annahme, dass das als eine empirische Basis für die Kritik an einem fremden Babybauch herhalten könne. Und selbst wenn es nach einer Weile so klingt, als gebe es vielleicht irgendwo eine geheime Bauchtabelle, aus der all diese Menschen zitieren: Es gibt sie nicht. Nirgends. Denn ob Bauch in der Schwangerschaft groß oder klein wird, hängt – Riesenüberraschung – von Körperbau, Bindegewebe und der Größe der Organe ab. Hier dennoch eine kleine Orientierungshilfe für die geneigte Leserschaft: Im 7. Monat ist die Gebärmutter etwa so groß wie ein Fußball. Stecken Sie sich so einen mal unter Ihr T-Shirt. So könnten Sie aussehen, wenn Sie schwanger wären. Drücken Sie sich den Ball jetzt ganz fest in den Bauch bis Sie Leber, Magen, Darm und Lunge quasi im Hals haben und die Blase darunter weniger wie eine Blase, sondern viel mehr wie ein Pfannkuchen aussieht. Dass der Fußball richtig liegt, merken Sie, wenn sie halbstündlich pinkeln müssen. So könnten Sie auch aussehen.

„Du siehst aber auch mit Bauch gut aus, keine Sorge!“

Ein vermeintliches Kompliment. Das vor allem irritiert, wenn man selbst keinerlei Sorgen geäußert hat. Es ist ein nicht abzuschüttelndes Klischee, dass Schwangere sich in den Schlaf weinen, weil sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen – und auch, dass sich Frauen grundsätzlich und zu allererst „Sorgen“ um ihr Aussehen machen und dass sie ungefragt Zuspruch für ihr Seelenheil brauchen, ist eher ein Gerücht. Natürlich ist der Bauch oft im Weg, der Wendekreis ein neuer und die Kleidung wird schneller zu eng, als man sich durch all die hässliche Umstandsmode wühlen kann – aber da ist halt auch ein ganzer verdammter Mensch drin. Hübschsein ist da nicht unbedingt das Erste, worüber man sich Gedanken macht.

„Und (Name des Vaters) – freut der sich denn auch über das Kind?“

Nein, er ist zutiefst verzweifelt. Wie sich das für einen richtigen Mann gehört. Er trinkt den ganzen Tag nur noch Bier und lässt sich bei seinen Holzfällerfreunden, die selbstverständlich auch alle niemals Kinder wollen, aus, dass ihm nun eines dieser hinterhältigen Weibsbilder einen Balg angehängt hat. Ihn festgenagelt hat. Für alle Zeit. Spermaraub quasi. Sie rülpsen dabei ganz viel und kratzen sich am Sack, als gäb’s kein Morgen. Er packt schon seine Sachen. Ich bin quasi bereits alleinerziehend. Danke der Nachfrage.

„Du bist schwanger und nicht krank.“

Ein ungemein kluger Satz, den man von Kioskverkäufern über Arbeitskollegen bis hin zur engsten Familie über die 268 Tage, die eine Schwangerschaft im Schnitt dauert (Schwankungsbreite 5 Wochen), immer wieder hört. Gerne, wenn man die Teilnahme an einem gesellschaftlichen Ereignis oder die Aufnahme gewisser Nahrungsmittel verweigert, oder wenn man aus anderem Grund zu irgendetwas motiviert werden soll.

Am Internationalen Kindertag haben Kinderrechts- und Sozialorganisationen einen besseren Schutz für Kinder in Deutschland gefordert. Die Nationale Armutskonferenz (NAK) kritisierte die Chancenungleichheit zwischen Kindern aus armen und reichen Familien im Land. In Deutschland lebten drei Millionen Kinder und Jugendliche in Armut, kritisierte die Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Barbara Eschen, am Donnerstag in Berlin: "Das ist eine absolut bittere Erfahrung für sie." (epd)

Und es ist ja wahr, man ist schwanger und hat keine tödliche Krankheit. Wenn man Glück hat, ist es auch keine sogenannte Risikoschwangerschaft, sondern es treten in den (beinahe) zehn Monaten nur die ganz normalen Nebenwirkungen auf. Man ist also wahlweise hundemüde oder einem ist kotzübel, gerne auch beides gleichzeitig. Die Kurzatmigkeit lässt einen nach einem Stockwerk Treppen stöhnen, wie nach einem Halbmarathon, und in die Organe, die sowieso schon keinen Platz mehr haben, tritt noch das Baby fleißig, während das Becken nur noch an von Hormonen erlaschten Knorpeln hängt – was einem eine leise und beängstigende Ahnung gibt, wie es sich anfühlen könnte, 80 Jahre alt zu sein. Ja, es sind diese Tage, wenn die Beine dick sind, die Migräne hart ist und der dehnungsbedingte Hautausschlag einen in den Wahnsinn treibt, während einem einfällt, dass man die Einnahme der Eisentabletten nicht vergessen darf, die so herrliche Verstopfungen verursachen können – was aber voll okay ist, weil das Magnesium, das man wegen der Wadenkrämpfe auch nehmen muss, wird dafür gerne mal von Durchfall begleitet – ja, das sind die Tage, an denen möchte man jedem, der so einen Satz sagt, ungebremst an die Gurgel springen.

„Mach das, solange du noch kannst!“

Als ob mit dem Kind der Spaß im Leben aufhört, weil man vor lauter Verpflichtungen nicht mehr aus dem Haus kommt … Wer viel mit Menschen spricht, die schon Kinder haben, verfällt zwangsweise in Panikzustände. In enorme Panikzustände. Alles wird vorbei sein! Kino, Schlaf, Sex, Konzert, Restaurant, Schlaf, Kino, Romantik, Reisen, Lesen, Maniküre, Schlaf. Und Kino. ­Eigentlich das ganze schöne Leben – vorbei. Nur Gebrüll. Alles furchtbar. Ganz schrecklich. Bleibt nur die Frage, warum dann so viele von ihnen mehr als ein Kind bekommen haben?

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