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Auf „Grand Tour“ in Sachen Kunst

VOR ORT Venedig-Biennale, Documenta in Athen und Kassel, Skulptur Projekte in Münster, die Gruppenschau „Made in Germany“: Dieses Jahr jagt ein Kunst-Großereignis das nächste. Wer Angst davor hat, etwas zu verpassen, und alles sehen will, muss gut planen

Was man „Von Athen lernen“ kann, lässt sich nur vor Ort beantworten Foto: Alexia Angelopoulou/dpa/picture alliance

von Beate Scheder

Dieses Jahr ist eine Zumutung. Alle zehn Jahre fallen die großen Kunstereignisse Venedig-Biennale, Documenta und Skulptur Projekte zusammen. Das allein ist schon ein anspruchsvolles Programm, 2017 wird die Planung aber noch dadurch erschwert, dass die Documenta nicht nur wie stets in Kassel, sondern auch in Athen stattfindet. Neben diesen Blockbustern steht noch eine Reihe weiterer hochkarätiger Ereignisse im Kalender. Die Kunstwelt leidet massiv unter FOMO, dem „Fear of missing out“-Syndrom, und das seit Monaten.

Tatsächlich ist es nicht leicht, alle Termine unter einen Hut zu bekommen, egal, ob man jeweils gleich zur Eröffnung fährt oder nicht. Allein auf der Biennale von Venedig, 2017 findet sie zum 57. Mal statt, sind Werke von 120 Künstler_innen zu sehen – die Länderpavillons und Satellitenausstellungen nicht einberechnet. So viel können die Sinne beim besten Willen nicht aufnehmen, zumindest nicht an einem Tag. Sowieso ist Hektik keine Lösung. Auch wenn schnell klick- und konsumierbare Bestenlisten bei Journaille wie Publikum immer beliebter werden, einfach nur irgendwelche Rankings abzuarbeiten und abzufotografieren ist auf Dauer wenig befriedigend. Viel besser: das Tempo herunterfahren und sich für jeden der Programmpunkte ein paar Tage Zeit nehmen und auch abseits der ausgetretenen Routen gucken.

Wer tatsächlich die Grand Tour auf sich nehmen will, muss sich aber so langsam sputen. Der Athener Teil der Documenta läuft nur noch bis zum 16. Juli. Auch wenn die Künstler in Athen und Kassel zu großen Teilen dieselben sind, entgehen lassen sollte man sich den Besuch in der griechischen Hauptstadt nicht. Allein schon wegen der oft unterschätzten Stadt Athen. Und um sich selbst eine Meinung darüber zu bilden, was von der Idee Adam Szymczyks, des Kurators der diesjährigen Documenta, denn nun zu halten ist, vor dem offiziellen Anpfiff in Kassel in Athen aufzulaufen. Auch auf die Frage, was man denn nun tatsächlich „Von Athen lernen“ kann – so das Motto der Großausstellung –, findet man gewiss nur vor Ort eine Antwort.

Die Biennale von Venedig ist ebenfalls schon angelaufen. Offen sind Länderpavillons und Hauptausstellungen zwar noch bis zum 26. November, erfahrungsgemäß empfiehlt es sich aber, den Besuch in der Lagunenstadt schon möglichst bald nach der Eröffnung anzutreten, solange noch keines der Kunstwerke auseinandergefallen ist und keine Ausstellung vorzeitig geschlossen wurde, wie etwa vor zwei Jahren der isländische Pavillon, damals eine zur Moschee umfunktionierte Kirche.

Venedig im Herbst

Oder aber man verschiebt ihn gleich auf den Herbst, im Sommer nach Venedig zu fahren ist nämlich eher eine schlechte Idee: Die Stadt ist noch voller, die Kanäle riechen und die besten Restaurants haben geschlossen, weil deren Besitzer selber Urlaub machen. So oder so sollte man sich besonders die mit dem Goldenen Löwen von der Jury ausgezeichneten Arbeiten nicht entgehen lassen. Die beiden wichtigsten Preise der Biennale gehen in diesem Jahr beide nach Deutschland. Anne Imhof wurde für den besten nationalen Beitrag geehrt. Die Künstlerin bespielt den deutschen Pavillon, kuratiert von Susanne Pfeffer, mit der fünfstündigen Performance „Faust“. Als bester Künstler ausgezeichnet wurde Franz Erhard Walther, der in der Hauptausstellung eine großformatige Arbeit aus Textil zeigt.

Die 57. Biennale von Venedig läuft bereits seit Mitte Mai und ist noch bis zum 26. November zu sehen, www.labiennale.org.

Die Gruppenausstellung „Made in Germany“ eröffnet am 3. Juni an drei Standorten: dem Sprengel Museum, der Kestnergesellschaft und dem Kunstverein Hannover (bis 3. September).

Am 10. Juni startet die Documenta 14 in Kassel und dauert traditionsgemäß 100 Tage (bis 17. September). In Athen dagegen läuft die Documenta bereits seit dem 8. April. Wer einen Abstecher in die griechische Hauptstadt mit einem Besuch der Documenta verbinden will, hat noch bis zum 16. Juli Zeit, www.documenta.de.

Die Skulptur Projekte in Münster mit 35 in der ganzen Stadt im öffentlichen Raum verteilten Kunstwerken eröffnet am 11. Juni und läuft bis zum 11. Oktober, www.skulptur-projekte.de

Einige Tage später geht die Kunstmesse Art Basel los (15. bis 18. Juni). Und im Herbst geht es weiter mit den Biennalen von Istanbul (16. September bis 12. November) und Lyon (20. September bis 31. Dezember).

Was dann? Am 10. Juni eröffnet die Documenta in Kassel und dauert traditionsgemäß 100 Tage. Einen Tag später starten in Münster die Skulptur Projekte mit 35 Positionen, darunter Arbeiten von Hito Steyerl, Pierre Huyghe und Nicole Eisenman. In Münster ist die Kunst in der ganzen Stadt im öffentlichen Raum verteilt, am besten man leiht sich für die Besichtigung ein Fahrrad. Eine Woche später folgt mit der Art Basel die bedeutendste Kunstmesse der Welt.

Schon früher, am 3. Juni nämlich, eröffnet die bereits dritte Ausgabe der großen Gruppenausstellung „Made in Germany“. Die Schau, die den Status quo der hiesigen Kunstszene widerspiegeln will, legt dieses Mal den Fokus auf die Produktion von Kunst. An drei Standorten, dem Sprengel Museum, der Kestnergesellschaft und dem Kunstverein Hannover, präsentiert eine Vielzahl an in Deutschland lebenden und arbeitenden Künstler_innen Werke, die extra dafür angefertigt wurden. Die Ausstellungen laufen bis zum 3. September, sind also das passende Programm für den Sommer für alle, die es nicht so weit in die Ferne zieht.

Ins Ausland geht es für die Kunstkarawane danach sowieso schon wieder. In Istanbul und Lyon beginnen im September jeweils die Biennalen, am 16. beziehungsweise 20. Besonders die Istanbuler Biennale wird mit Spannung erwartet. Kuratiert wird diese 2017 vom Künstlerduo Elmgreen & Dragset. Darf es noch ein bisschen mehr sein? Drei Berliner Einzelausstellungen großer Künstlerinnen seien an dieser Stelle noch emp­fohlen: Der Hamburger Bahnhof zeigt seit dem 15. Mai Korrespondenzen von Hanne Darboven; die Berlinische Galerie widmet sich indes ab dem 13. September Monica Bonvicini und ab dem 6. Oktober Jeanne Mammen.