Iran

Rund 55 Millionen Wahlberechtigte sind am heutigen Freitag aufgerufen, einen neuen – oder den alten – Präsidenten zu wählen

Der Herausforderer

PortrÄt Ebrahim Raisi aus der Pilgerstadt Maschad ist ein konservativer Geistlicher. Notorisch ist er auch als unerbittlicher Jurist und Scharfmacher

Ebraihim Raisi Foto: ap

BERLIN taz | Bis vor einem Jahr war Ebrahim Raisi in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Erst als der Oberste Revolutionsführer Ali Chamenei den Kleriker zum Verwalter der ökonomisch, politisch und kulturell höchst einflussreichen religiösen Stiftungen in der Pilgerstadt Maschad ernannte, wurde er mit einem Schlag berühmt. Viele Beobachter sahen in der Ernennung ein Zeichen, das auf Raisis Nominierung zum Nachfolger des Revolutionsführers hindeutete.

1960 geboren, begann Raisi mit fünfzehn Jahren die theologische Ausbildung in seiner Geburtsstadt Maschad. Mit der Revolution von 1979 und der Machtübernahme der Geistlichkeit im Iran begann auch seine steile Karriere. Bereits mit 21 Jahren wurde er zum Staatsanwalt der beiden Städte Karadsch und Hamedan ernannt. Danach wurde er Staatsanwalt in der Hauptstadt Teheran, erster Vertreter des Justizchefs, Irans Generalstaatsanwalt und schließlich Staatsanwalt des Sondergerichts für Geistliche.

Er wolle, sollte er Staatspräsident werden, einen rigorosen Kampf gegen Armut und Korruption führen, hat Raisi angekündigt. „Ich habe in meiner Jugend am eigenen Leib die Armut und die Härte der Arbeit gespürt.“ Der Staat müsse die finanzielle Hilfe für Minderbemittelte verdreifachen. Zudem wolle er Arbeitsplätze schaffen, vor allem für Jugendliche und Akademiker, und die Wohnungsnot beseitigen. Jeder müsse ein Dach über dem Kopf haben, forderte er.

Die Rolle, die Raisi in der Vergangenheit spielte, ist alles andere als rühmlich. Er gehörte zu den drei Personen, die 1988 von Ajatollah Chomeini ernannt wurden, um über das Schicksal von tausenden politischen Gefangenen in den überfüllten Gefängnissen zu entscheiden. Die Entscheidung des Trios konnte dann härter nicht ausfallen: Mehrere tausend Gefangene wurden aufgrund ihrer politischen Ansichten in Schnellgerichten, die nur wenige Minuten andauerten, zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Für dieses Verbrechen ist Raisi mitverantwortlich. Er selbst hat bis heute nicht dazu Stellung genommen. Mitverantwortlich war Raisi auch für die brutale Niederschlagung der Proteste von 2009, die sich gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad richteten. Aufgrund dieser Biografie wird Raisi in Kreisen der Opposition als „Ajatollah Mörder“ bezeichnet.

Als jemand, der zeitlebens innerhalb der Justiz Karriere gemacht hat, verfügt Raisi über keinerlei Regierungserfahrung. Angesichts seiner Biografie erscheint er kaum dafür geeignet, diplomatische Beziehungen anzuknüpfen. Mit seiner Präsidentschaftskandidatur geht er zudem ein Risiko ein: Sollte er die Wahl verlieren, käme er als Nachfolger des Revolutionsführers wohl kaum infrage.

Bahman Nirumand