Kalkuttas Rikschas droht ein Verbot

Die kommunistische Verwaltung der indischen Stadt will die Rikschas verbieten. Der Bürgermeister findet die Arbeit der Rickschakulis barbarisch, doch geht es ihm weniger um die Menschen als um das angestrebte Image einer modernen Stadt

AUS PUNE RAINER HÖRIG

Während man in den Metropolen Europas und Amerikas moderne Fahrradrikschas als preiswerte und umweltfreundliche Transportmittel schätzen lernt, sollen sie in einem ihrer Ursprungsländer aus dem Verkehr gezogen werden. Seit fast hundert Jahren prägen Laufrikschas das Stadtbild Kalkuttas. Die schwarzen, hochrädrigen Karren aus Holz, von sehnigen Männern an zwei Holmen gezogen, sind in den engen Gassen ein beliebtes Transportmittel – preiswert, umweltfreundlich, stets verfügbar.

Wenn in der Regenzeit der Ganges die Straßen überflutet, sichern allein Rikschas das Fortkommen. Wer erwartet, Rikschakulis schämten sich ihrer Arbeit, sieht sich eines Besseren belehrt. „Wir sind arm, daher müssen wir eben schwer arbeiten“, sagt Mohammed Hussein. Ob er auf anderer Leute Feld schufte, schwere Lasten auf dem Kopf schleppe oder eine Rikscha ziehe, mache doch kaum einen Unterschied.

Trotzdem könnte Mohammed bald seinen Lebensunterhalt verlieren. Die von kommunistischen Parteien geführte Stadtverwaltung will die letzten handgezogenen Rikschas der Welt abschaffen. Vor einem Jahr wurden sie zum Verkehrshindernis erklärt und von allen Durchgangsstraßen verbannt. Zum Ende dieses Jahres soll ganz Schluss sein, meint Bürgermeister Bikash Battacharya. Er nennt die Arbeit eines Rikschakulis „barbarisch“.

Die 18.000 Rikschafahrer stören seine Vision einer modernen Geschäfts- und Kulturmetropole. Daher sollen sie auf erdgasbetriebene Motorfahrzeuge umschulen. Doch die Betroffenen trauen den Versprechen nicht. Noch vor rund zehn Jahren scheiterte ein Rikschaverbot am Widerstand der Gewerkschaft. 1997 bot die Stadt den Fahrern umgerechnet 200 Euro an, etwa das Fünffache des Wertes, wenn sie ihr Fahrzeug still legten. Niemand ging auf das Angebot ein.

Die Mehrheit der Rikschafahrer sind Armutsflüchtlinge aus dem Hinterland – vertrieben von Haus und Hof, weil dort gierige Grundbesitzer, Missernten oder Naturkatastrophen ein Überleben unmöglich machten. Bei einem Tagesverdienst von umgerechnet zwei Euro können sich viele kein festes Dach über dem Kopf leisten und schlafen auf der Sitzbank ihrer Rikscha. Ohne ihr Gefährt säßen sie buchstäblich auf der Straße.

Die offiziellen Äußerungen über den Schandfleck Rikscha lassen erkennen, dass es den Oberen weniger um das Wohl der Armen geht, als um das Image der Stadt. Seit mehr als dreißig Jahren regiert ein Bündnis von Linksparteien den Unionsstaat Westbengalen. Im vergangenen Juni eroberte die Koalition aus kommunistischen und sozialistischen Parteien auch den Stadtrat der Hauptstadt Kalkutta.

In der Regierungsverantwortung haben sie erkennen müssen, dass eine globalisierte Wirtschaft ohne die Expertise ausländischer Konzerne kaum funktioniert. Mit Verweis auf die kapitalfreundliche Politik von Chinas Kommunisten wetteifern die indischen Genossen nun um ausländische Investitionen. Die Verwässerung der antiimperialistischen Agenda spiegelt auch die Verlagerung der politischen Kräfteverhältnisse wider. Mit wachsender Globalisierung verliert die Arbeiterklasse an politischem Gewicht. Eine neue karriere- und konsumorientierte Mittelschicht entsteht. Deren Stimmen verhalfen den Kommunisten bei der jüngsten Wahl zum Stadtrat zum Sieg.