Rundfunk in NRW: Den digitalen Wandel verschlafen

Die Medienbranche in NRW ist stark, wurde aber zuletzt von der Politik vernachlässigt. Das könnte sich mit der neuen Regierung ändern.

Blick auf den Medienhafen in Düsseldorf bei Nacht - im Bildmittelpunkt: der Fernsehturm

Leuchtturmwirkung NRW-Medien war mal – der Medienhafen in Düsseldorf Foto: wikimedia/Dirk Hartung (CC2.0)

KÖLN taz | Über Jahre galt das Medienforum NRW in Köln als Aushängeschild der Branche. Hier kommen Politiker, Medienmanager, Produzenten, Rundfunkverantwortliche, Juristen, Wissenschaftler und Kreative aus Deutschland und dem Ausland zusammen. Aber wenn am Dienstag das diesjährige Medienforum NRW in Köln stattfindet, ist von der Wichtigkeit, die den Medien einst von der Politik beigemessen wurde, nichts mehr zu bemerken.

Die Medienbranche ist für Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich bedeutend und strahlt weit über die Landesgrenzen hinaus: 24.000 Unternehmen sind an Rhein und Ruhr beheimatet, darunter RTL, WDR, die Deutsche Telekom und Bertelsmann. Rund ein Drittel aller in Deutschland produzierten Fernsehminuten sollen aus NRW kommen, mit der Magic Media Company sitzt hier einer der größten Studiokomplexe Europas. Die Film- und Medienstiftung des Landes ist mit rund 35 Millionen Euro Fördervolumen im Jahr ein international bedeutender Akteur.

Schon um die Jahrtausendwende hatte der damalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement daher das Thema Medien zur Chefsache erklärt. Zu Clements Zeiten dauerte der Kongress vier Tage. Später waren es drei, dieses Jahr ist es nur noch ein Tag, angehängt an das erfolgreiche Branchenevent Anga Com, zu dem Tausende von internationalen Besuchern und Ausstellern erwartet werden.

„Das Medienforum als eigene Veranstaltung zu deklarieren, ist ein Etikettenschwindel“, kritisiert der ehemalige Direktor der Landesmedienanstalt, Jürgen Brautmeier. „Vergleicht man das mit den Medientagen Mitteldeutschland oder den Münchner Medientagen, dann sieht man, dass NRW in dieser Liga einfach nicht mehr mitspielt.“ Jahrelang sei die Bedeutung von Medienpolitik durch die Verantwortlichen in der Regierung missachtet worden.

Brautmeier war bis vor Kurzem selbst Akteur in Düsseldorf. Als Direktor der Landesmedienanstalt war der CDU-Mann von 2010 bis Ende 2016 oberster Medienwächter in Nordrhein-Westfalen. Dann aber wurde auf Initiative der rot-grünen Regierung das Landesmediengesetz geändert: Der Landesmediendirektor musste künftig über die Befähigung zum Richteramt verfügen – was eine Wiederwahl des promovierten Historikers Brautmeier unmöglich machte.

Das ist so eine Art Werkzeugkasten aus dem letzten Jahrhundert

Als Begründung wurde unter anderem auf die „Relevanz juristischer Kenntnisse“ hingewiesen. In der Branche galt Brautmeier aber als unbequem, gerade wenn es um die Pläne der Regierung ging. Etwa bei der Einführung einer Journalistenförderung, die über die Landesmedienanstalt abgewickelt werden sollte. Beobachter sprachen von einer „Lex Brautmeier“.

Jetzt, nach der Landtagswahl, könnte sich medienpolitisch einiges verschieben. Brautmeier ist einer der wenigen CDU-Leute, die sich hier auskennen. Er sei aber weder auf ein Amt noch auf Genugtuung aus, betont Brautmeier: „Ich habe zwar nach wie vor großes Interesse an den Sachfragen, aber ein öffentliches Amt möchte ich nicht mehr annehmen.“

Umso freier fühlt er sich, Forderungen an die künftige Regierung unter Armin Laschet zu stellen: „Derjenige, der bisher in NRW Medienpolitik machte, war ein Staatssekretär, der einem Minister für Europa, Bund und Medien untergeordnet war. Das Thema muss auf jeden Fall wieder näher ans Machtzentrum gestellt werden.“ Denn nicht nur aus seiner Sicht sind die Herausforderungen, die die Politik zu bewältigen hat, schon jetzt gewaltig: „Der Strukturwandel, der durch die Digitalisierung stattfindet, ist verschlafen worden.“

Wie viel? Nach Angaben der Film- und Medienstiftung NRW machen Medien- und Kommunikationsunternehmen in Nordrhein-Westfalen jährlich 122 Milliarden Euro Umsatz. Darunter fallen Sender wie WDR und RTL, aber auch Werbefirmen und Filmstudios.

Kürzlich hatte die Landesmedienanstalt beispielsweise dem YouTube-Kanal PietSmietTV auferlegt, eine Rundfunklizenz zu beantragen, weil dieser aufgrund seiner Reichweite und seines festen Sendeplans ein rundfunkähnliches Angebot sei. Die Betreiber hatten daraufhin ihren Gamer-Kanal abgeschaltet.

Vergleichbare Anbieter aus anderen Ländern, etwa den USA, können ihre Inhalte weiter in Deutschland vertreiben, weil sie der hiesigen Regulierung nicht unterliegen. „Nach geltendem Recht haben die Landesmedienanstalten das richtig gemacht“, antwortet Brautmeier, „aber die rechtlichen Rahmenbedingungen des Rundfunkstaatsvertrags passen nicht mehr. Das ist so eine Art Werkzeugkasten aus dem letzten Jahrhundert.“

Was? Die Landesmedienanstalten achten darauf, ob Fernseh- und Radiosender die Regeln im Rundfunkstaatsvertrag einhalten. Auch Jugendschutz und Medienvielfalt sollen sie sicherstellen.

Wer? Kern sind die Medienräte, auch Medienkommissionen genannt. Deren Mitglieder werden zum Teil von Verbänden und Religionsgemeinschaften und zum Teil von Landesparlamenten entsandt.

Mit diesem „Werkzeugkasten“ wurde unter anderem auch verhindert, dass weder öffentlich-rechtliche noch private Sender ein gemeinsames Videoportal anbieten können, während Netflix und Co. sich ohne derartige Beschränkungen mit ihren Online-Videotheken im deutschen Markt breitmachen. „Die Regulierung hat mit der Konvergenz nicht Schritt gehalten. Es ist abstrus, dass sie noch nach Absendern definiert“, kritisiert RTL-Chefin Anke Schäferkordt. „Für die Nutzer macht das keinen Sinn.“

Ändern kann diese Situation nur ein neues Mediengesetz. Daran basteln Bundesregierung und -länder seit Jahren, ohne dass ein großer Wurf in Sicht ist. Brautmeier appelliert: „Ich kann nur hoffen, dass die neue Regierung sich auf die Digitalisierung konzentriert.“

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