Artenschutzprojekt in NRW: Zwei Experten, drei Meinungen

Die Wisente im Rothaargebirge dürfen frei bleiben – erstmal. Der Endlos-Rechtsstreit geht wohl in die nächste Runde.

Ein Wisent auf einer Wiese.

Wisente: in Mitteleuropa seit dem Mittelalter ausgestorben Foto: dpa

BERLIN taz | Zwei Experten, drei Meinungen – das gibt es nicht nur im Krankenhaus. Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm zu einem Auswilderungsprojekt im nordrhein-westfälischen Rothaargebirge wurde am Montag ganz unterschiedlich bewertet.

Geklagt hatten Sauerländer Waldbauern gegen den Verein „Wisent-Welt-Wittgenstein“, der eine Herde Wisente in einem öffentlich begleiteten Verfahren ausgewildert hatte. Die seit dem Mittelalter in der Region ausgestorbenen Tiere tummeln sich im Privatwald der Kläger und fressen dort Buchenrinde. Das mindert den Wert der Bäume. Gerichte unterer Instanzen hatten den Bauern bescheinigt, dass sie dies nicht hinnehmen müssen.

„Wir sehen uns bestätigt“, sagt Georg Feldmann-Schütte, einer der Kläger. Und in der Tat: Der zuständige Senat des OLG hat laut Pressemitteilung „den beklagten Verein verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die freigelassenen Wisente die auf den klägerischen Waldgrundstücken wachsenden Bäume beschädigen“. Weil alle Maßnahmen sich bislang als untauglich erwiesen haben, bleibt – schlussfolgert Feldmann-Schütte – nur übrig, das Projekt in dieser Form zu beenden.

Alle sind zufrieden

„Wir haben einen Punktsieg erreicht“, sagt aber auch Michael Emmrich, Sprecher des Vereins „Wisent-Welt-Wittgenstein“. Das Urteil sende ein „ermutigendes Signal“. Schließlich habe das OLG zwar gefordert, dass der Verein etwas gegen den Buchenfraß unternehmen müsse, die Richter hätten dafür aber auch eine Bedingung gestellt. Und richtig: In der Erklärung des Gerichts heißt es, die Verurteilung sei „unter den Vorbehalt gestellt, dass dem beklagten Verein die nach Bundesnaturschutzgesetz erforderlichen Ausnahmegenehmigungen durch die zuständigen Behörden erteilt werden“. Ergo schiebt das Gericht die Entscheidung darüber, ob die Tiere weiter in Freiheit leben dürfen, den Behörden zu. Diese müssten dem Verein erlauben, die streng geschützten Wisente einzufangen oder zu töten.

Wichtig sei, dass das Gericht die Bedeutung des Bundesnaturschutzgesetzes hervorgehoben habe, sagt Moritz Klose, Wildtierexperte des WWF. Die Umweltorganisation ist an dem Projekt beteiligt. „Das macht Mut für weitere Vorhaben.“ Gute Lebensbedingungen für die Wildrinder gebe es schließlich nicht nur im Rothaargebirge. „Die Grenzregion Bayerischer Wald und Tschechien wäre geeignet, womöglich auch der Spessart oder der Pfälzerwald“, so Klose.

Moritz Klose, WWF

„Das macht Mut für weitere Wisent-Auswilderungsprojekte“

Im Falle der Wittgensteiner Wisente kündigten beide Parteien an, erst nach der in einigen Wochen erwarteten Urteilsbegründung zu entscheiden, ob sie in Revision gehen. Das OLG hat diese Möglichkeit vor dem Bundesgerichtshof zugelassen. Den Juristen bleiben die urigen Viecher eh erhalten: Gegen mögliche Entscheidungen der Naturschutzbehörden können Waldbauern oder Trägerverein vor Verwaltungsgerichten klagen. Dorthin sind Nachbarn von Feldmann-Schütte auch schon gezogen: Sie gehen gegen den Vertrag von öffentlicher Hand und Trägerverein vor, der die Grundlage des Projekts darstellt.

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