Der Anschlag von Manchester

Es war kein Einzeltäter, davon ist die Polizei überzeugt. Spuren des Attentats mit 22 Toten führen nach Libyen

Auf der Suche nach dem Netzwerk hinter dem Attentat

Ermittlungen Polizei meldet Festnahmen und Fund „wichtiger Gegenstände“. Regierung stoppt Info-Weitergabe an US-Dienste

DUBLIN taz | Die Polizei hat „bedeutende Verhaftungen“ nach dem Terroranschlag von Manchester vorgenommen, bei dem Montagnacht 22 Menschen getötet wurden. Das sagte der Polizeichef von Manchester, Ian Hopkins. Am Donnerstag sind zwei weitere Männer festgenommen worden, insgesamt befinden sich nun acht Männer in Gewahrsam.

„Bei den Hausdurchsuchungen haben wir Gegenstände gefunden, die wichtig für unsere Untersuchungen sind, wie wir glauben“, sagte Hopkins. Es handelt sich offenbar um Material für Bomben, die bei künftigen Anschlägen eingesetzt werden sollten. Die Behörden gehen inzwischen davon aus, dass ein Netzwerk hinter dem Attentat steht.

Am Mittwoch waren der Vater und der jüngere Bruder des 22-jährigen mutmaßlichen Attentäters Salman Abedi in Libyen verhaftet worden. Die dortigen Sicherheitskräfte erklärten, Hashim Abedi, der Bruder, stehe in Verbindung zum IS und sei über die Einzelheiten des Anschlags informiert gewesen. Abedis älterer Bruder Ismail wurde bereits am Dienstag in Manchester festgenommen.

Salman Abedi ist mindestens zweimal in Deutschland gewesen. 2015 war er in Frankfurt, bevor er in Syrien paramilitärisch ausgebildet wurde. Vier Tage vor dem Anschlag in Manchester war er in Düsseldorf. Nach Erkenntnissen der dortigen Polizei sei er dort lediglich umgestiegen.

Die Bombe, die Abedi benutzt hat, enthielt dasselbe Material wie die Sprengsätze, die bei den Anschlägen im November 2015 in Paris und im März 2016 in Brüssel benutzt worden sind. Fotos vom Tatort und von Teilen der Bombe sind schon eine Stunde nach dem Anschlag von der New York Times veröffentlicht worden, britische Medien druckten sie nach.

Die britische Polizei, die Minuten nach dem Anschlag die Fotos und Informationen an die US-Kollegen weitergegeben hatte, ist über deren Indiskretion erbost. Man teile vorerst keine Erkenntnisse mehr mit den US-Sicherheitskräften, sagte Innenminister Amber Rudd.

Premierministerin Theresa May wollte den US-Präsidenten Donald Trump am Donnerstagabend auf dem Nato-Gipfel in Brüssel wegen der Lecks zur Rede stellen. Trump versprach eine rasche Aufklärung und drastische Konsequenzen. Rund tausend Soldaten sind am bevorstehenden langen Wochenende in Großbritannien im Einsatz, um die vielen Großveranstaltungen zu schützen.

Der Nationale Gesundheitsdienst hat am Donnerstag bekanntgegeben, dass die Zahl der Verletzten doppelt so hoch sei wie bisher angenommen. 116 Menschen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, 23 von ihnen sind noch auf der Intensivstation.

Am Donnerstag versammelten sich Hunderte auf dem St. Anne’s Square im Zentrum Manchesters. Nach einer Schweigeminute begann Lydia Bernsmeier-Rullow, die Tochter des in Großbritannien berühmten DJs Mike Shaft, das Lied „Don’t Look Back in Anger“ zu singen. Es ist die meistverkaufte Single der Pop-Band Oasis aus Manchester. Nach und nach stimmte die Menge ein. „Ich habe eine Gänsehaut bekommen, als alle mitsangen“, sagte die 32-Jährige. „Wir sind alle miteinander verbunden und machen weiter, denn so ist Manchester.“

Ralf Sotscheck