Den Kopf vom Rumpf trennen

Das 3001 lässt in seiner im Oktober startenden Reihe „Bizarre Cinema“ gemeinschaftsfördernde Kultfilme der Siebziger wieder aufleben. Dann können sich – immer Samstag- und Sonntagnachmittag – verschiedene Zombies, Ingrid Steeger sowie Conan der Barbar miteinander messen

von Volker Hummel

Nostalgie ist nicht wählerisch. Alles kann ihr Objekt werden: ein Geruch, eine Haarfarbe, eine Schnulze, eine Kekssorte, eine Zeile aus einem Gedicht. Oder auch der Sound brechender Knochen und Feuer speiender Riesenechsen. Zumindest dann, wenn man in den 70ern aufwuchs, jener letzten goldenen Kinodekade, bevor die Videotechnologie den Filmgenuss zunehmend zu einer Privatangelegenheit machte. An Samstag- und Sonntagnachmittagen saß man damals im Kleinstadt-, Vorort- oder Bahnhofskino und genoss Bilder, deren Lust an Sex, Gewalt und purem Entertainment heute fast ganz von den Leinwänden verschwunden ist.

Alle Genres, die in den 60 Jahren zuvor ihre festen Formeln ausgebildet und verfeinert hatten, wurden plötzlich generalüberholt, ihre ideologischen Grundlagen entblößt und ins pathologische Extrem geführt. Italowestern, Porno-, Zombie- und Söldnerfilme handelten nicht mehr vom Guten im Menschen, sondern von Körpern, die aus jeder sozialen Ordnung herausgefallen waren.

Genau diese Körper waren auch die Adressaten dieser Werke. Nicht rationale Analyse sollten sie bewirken, sondern somatische Schocks, die lange nachwirken. Hinzu kam eine Reihe neuartiger Streifen aus Fernost, deren Helden muskelgestählte Kung-Fu-Kämpfer, Metropolen-verschlingende Gummimonster und blinde Samuraikämpfer waren. Zum Spaß an diesen Werken gehörte das gemeinsame Erlebnis, das vielstimmige Jauchzen, wenn ein weiterer Kopf unsauber vom Rumpf getrennt wurde. Später wurde dafür der Begriff des „Kultfilms“ geprägt, dessen Wertschätzung einen zum Mitglied einer exklusiven Gruppe machte. In Hamburg überlebte diese Tradition die 80er Jahre im Alabama-Kino, wo während Veranstaltungen wie den Gore-Nights alles möglich war, vom kollektiven Verlassen des Saals bis zu hysterischen Verbrüderungen. Doch die Bahnhofskinos sind verschwunden, die Sehnsucht nach einem Kino ohne Tabus aber ist geblieben.

Aus dieser Misere will nun das tapfere 3001-Kino mit einer neuen Reihe helfen: „Bizarre Cinema“ heißt sie und vereint einige der stilbildendsten Meisterwerke des Trashkinos. Schon die Titel im ersten Monat der Reihe, die vorerst bis Ende des Jahres laufen soll, offenbaren die Bandbreite des 70er-Jahre-Schaffens. Da treffen mit Alexander Fu-sheng, Ti Lung und David Chiang drei der größten Kung-Fu-Stars Hongkongs (Die gnadenlosen 5) auf Ingrid Steeger in ihrer besten Rolle in Ich, ein Groupie, und die blutrünstigen Zombies von Exploitation-Großmeister Lucio Fulci (Woodoo – Schreckensinsel der Zombies) messen sich mit Conan, der Barbar.

Einige der Filme werden von Filmkritikern und -fans vorgestellt, wobei von der persönlichen Reminiszenz bis zur akademischen Abhandlung alles erlaubt ist. Auch bei den Anfangszeiten versucht man, es einem nostalgischen Publikum Recht zu machen. Die Reihe läuft samstags und sonntags um 14 Uhr – auch Familienväter und Berufstätige haben also keine Ausrede mehr, ihre alten Lieblingsfilme zu verpassen.

„Bizarre Cinema“: ab 1.10. Sa+So 14 Uhr, 3001