Staatssubjekt Kapital

poet „Die totalitäre Erfahrung“ erinnerte in Köln an den Politikwissenschaftler Heinz Langerhans

Die Projektion einer Steinbuddhafigur erhellt die Boulehalle in Köln-Mülheim, von der hohen Decke hängen getrocknete Blumen, und aus den Lautsprechern ertönt esoterisch angehauchte Musik. Ein Wechsel, statt des Buddhas sieht man jetzt ein Zitat: „Viel zerbrach in den Fingern uns. Haben wir nicht alles ausgespuckt Dutzend Mal? Aber uns ward die Ruhe zuteil. Denn wir sind die Beweglichen.“ Und auf die Musik folgt eine Sprachaufnahme: „Er war ein kleiner untersetzter Mann, mit einem großen Kopf, sehr dünnen Haaren, sah sehr unjüdisch aus, richtig deutsch, sah intellektuell aus, nicht in einem Studienrat-Sinne, sondern in dem Sinne einer poetischen Intelligenz. Das was er im Grunde war, nämlich ein Poet.“

So beginnt „Die totalitäre Erfahrung“, zu der die Akademie der Künste der Welt gemeinsam mit Felix Klopotek am Donnerstag geladen hat, um „die dramatische Geschichte des in Vergessenheit geratenen kommunistischen Politikwissenschaftlers und Autors Heinz Langerhans“ zu erzählen. Es wird kein Wert darauf gelegt, Mitwirkende vorzustellen und einen Überblick über den Abend zu geben, was erst einmal sehr erfrischend ist. Ohne große Umschweife werden verschiedene Ausdrucksmedien wie Leinwand oder Tonaufnahmen eingesetzt, bei denen man ebenfalls darauf verzichtet zu erklären, wer dort spricht und wessen Zitate da aufgeblendet werden. Klopotek gibt zu verstehen, „ihn referieren, heißt auch, ihn zu verlieren“, also eine konzeptuelle Taktik.

Langerhans’ nie veröffentlichte Manuskripte zum Totalitarismus galten als verschollen und sind erst vor Kurzem wieder aufgetaucht. Die Schauspielerin und Sprecherin Anja Jazeschann sowie die Journalistin Melanie Weidemüller werden an diesem Abend die Rolle des Langerhans übernehmen, was nicht sofort klar wird. Hierzu mischt sich Politologe Michael Buckmiller, bei dem völlig unklar bleibt, aus welchen Primär- und Sekundärtexten er liest.

Dieses Kaleidoskop über die Person Langerhans, die Komplexität der Gedanken, dessen Urheber nicht ersichtlich werden, der schnelle Wechsel der Vortragenden, die vielen aneinander gereihten „-ismus“ und „-istischen“ gleichen einem Theoriegemetzel. Die erste Stunde der „szenischen Lesung“ ist in ihrer Form schon eine Erfahrung. Keine totalitäre, aber eine intensive. Als eine Pause angekündigt wird, verliert der Abend knapp ein Drittel der Gäste.

Langerhans, der Abstand davon genommen hatte, ein Theorie-System zu formulieren, schrieb Gedichte. Eine Stimme aus den Archivaufnahmen attestiert ihm „ein Verständnis der Realität, welches dem Verständnis der Marxisten weit voraus war“. – „Er hatte etwas von Nietzsche und Hölderlin, er war einer aus dieser Gesellschaft von Philosophen.“ An dieser Stelle erfährt das Publikum den Namen des Sprechers: Leo Friedmann, ein linkssozialistischer jüdischer Journalist, ebenfalls in Vergessenheit geraten.

Kein kalter Krieger

Doch erzählt wird nicht die Geschichte eines Poeten oder Philosophen, sondern die von Langerhans als Schüler von Karl Korsch, einem Erneuerer der marxistischen Philosophie und Theorie. Man erfährt von dem von Langerhans geprägten Begriff „Staatssubjekt Kapital“, einer Verschmelzung aus Staatsmacht, Kapitalmacht und der ursprünglich entgegengesetzten Arbeiterbewegung zu einer neuen Klassengesellschaft. Und schließlich von seiner Totalitarismustheorie, die sich auf das Marx’sche Kapital gründet.

Eher fragwürdig ist seine Verbundenheit zur ehemaligen Kommunistin Ruth Fischer, die Denunziationsarbeit gegen Kommunisten betrieb. Die Antikommunistin Fischer verbündete sich sogar mit Rechtsradikalen und klagte ihren eigenen Bruder als „State Enemy No. 1“ an. Für Klopotek ist Langerhans allerdings „kein kalter Krieger, der wie so viele von ganz links nach ganz rechts geschlingert ist, aber er stellt sich die Aufgabe, den Schrecken des Totalitarismus ganz zu durchmessen, um in ihm die Elemente des Umschlags zu antizipieren: Das ist die totalitäre Erfahrung, die Verarbeitung von etwas, das Verarbeitung (Reflexion, Einordnung, intellektuelle Distanz) auslöschen will.“ Du Pham