Rechte Lehrkräfte unerwünscht

TrennungIm Norden mussten schon mehrere Pädagogen wegen ihrer rechten Gesinnung gehen – zuletzt vor einer Woche

Junge-Union-Humor: 1979 wurde der Radikalenerlass Ländersache Foto: Konrad-Adenauer-Stiftung/Wikimedia Commons

Sie haben eine feste rechte Gesinnung und sind ErzieherInnen oder LehrerInnen an Kindergärten oder Schulen. Das gibt es in Norddeutschland immer wieder. Erst vergangene Woche wurde eine Grundschullehrerin aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim wegen ihrer Gesinnung „bis auf weiteres vom Dienst suspendiert“, bestätigt Henning Lipski, Sprecher des Schweriner Bildungsministeriums. Die bildungspolitische Sprecherin und Fraktionsvorsitzende der Linken, Simone Oldenburg, fordert „arbeitsrechtliche Konsequenzen“. Die Lehrerin sympathisiere mit der NPD, das sei nicht mit dem Lehrauftrag einer staatlichen Schule vereinbar, sagt Oldenburg.

Die Geschichte der Berufsverbote, die 1972 begann, ist längst auch eine Geschichte der Auseinandersetzung mit dem rechten Milieu geworden – nicht zuletzt, weil die Gesellschaft gegenüber rechten Pädagogen sensibler geworden ist und andererseits aus der Szene dazu aufgerufen wurde, sich pädagogischen und sozialen Berufen zuzuwenden.

Die suspendierte Grundschullehrerin trat bereits 2015 bei einer MVgida-Aktion in Boizenburg als Rednerin auf und wurde dafür vom NPD-Stadtvertreter aus Lübtheen, Andreas Theißen, für ihren „Mut“ und ihre „Heldentat“ gelobt. Im selben Jahr soll sie, so berichtet es der NDR, Ordnerin bei einer AfD-Demonstration in Rostock gewesen sein. Sie stolperte nun aber über einen Aufmarsch der NDP unter dem Motto „Zukunft sichern und Zusammenhalt stärken – wir zeigen Gesicht gegen diese BRD!“ in Boizenburg. Sie hielt eine Rede und führte kapp 35 Minuten aus, dass die Bundesregierung die deutsche Bevölkerung durch gezielte Zuwanderung „austauschen“ wolle. Das ist eine Verschwörungstheorie, die von der NPD bis zur Identitären Bewegung verbreitet wird.

Ganz offensichtlich stehe die Grundschullehrerin nicht für eine freiheitliche, demokratische Wertevermittlung, sagt Oldenburg. Darum könne sie auch nicht „Kinder und Jugendliche zu offenen und toleranten Menschen zu erziehen“. Moralisch ist das sicher richtig, rechtlich ist es jedoch nicht ganz einfach.

In den vergangenen 13 Jahren mussten sich die Behörden in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein mit der rechten Gesinnung von fünf Lehr- und Erziehungskräften auseinandersetzen. Schon 2004 trennte sich in Braunschweig die Waldorfschule von Andreas Molau, weil er sich beurlauben lassen wollte, um Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen werden zu können. Ein schwieriger Prozess, der in enger Absprache mit dem Kollegium und den Eltern vonstatten ging. Besonders die Entscheidung, dass auch Molaus Kinder die Schule verlassen mussten, belastete die Einrichtung nachhaltig. Molau löste sich später von der rechten Szene.

2007 musste die Schulbehörde in Hamburg einschreiten. Auslöser war ein Bericht von NDR und taz über die Grundschullehrerin Karin S., die zur NPD gehörte und ein Postfach für die später verbotene Heimattreue Deutsche Jugend verwaltete. Am 11. Juni brachte ihr ein Bote einen Brief der Schulbehörde. Darin hieß es: „Wegen der Gefährdung des ordentlichen Schulablaufes und der Störung des Betriebsfriedens an der Grundschule Buckhorn werden wir Sie unter Fortzahlung Ihrer Bezüge vom Unterricht freistellen.“ Sie wurde in den Innendienst versetzt.

Im schleswig-holsteinischen Bredstedt musste 2011 die Lehrerin Ann-Kristin J. gehen. Sie warb einen ihrer Schüler für die NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten an. Schon länger hatte es Gerüchte über eine Deutsch- und Englischlehrerin gegeben, die rechts sei.

2013 beendete die Stadt das Arbeitsverhältnis mit der Erzieherin Birkhild T., die enge Beziehung in die rechte Szene hatte. Sie durfte nicht mehr in die Kindertagesstätte am Marienplatz in Lüneburg zurückkehren. Über zwei Jahre hatten Eltern das Ende des Arbeitsverhältnisses gefordert, bis ein Auflösungsvertrag vereinbart wurde. Der Sprecher der Stadt Lüneburg, Daniel Steinmeier, sagte damals, das Arbeitsverhältnis sei im Einvernehmen aufgelöst worden. Die genauen Vereinbarungen wollte er nicht kommentieren. Nicht unüblich, da die Vertragspartner bei solchen Verträgen oft Verschwiegenheit vereinbaren. T. soll aber eine Abfindung bekommen haben, heißt es.

Die Geschichte der Berufsverbote ist längst auch eine der Auseinandersetzung mit dem rechten Milieu geworden

Im aktuellen Fall überprüft das Schweriner Bildungsministerium nun die Vorwürfe gegen die suspendierte Grundschullehrerin. „Die Beurteilung ist noch nicht abgeschlossen. Wir werden auch einen Mitschnitt der Reden berücksichtigen“, sagt Henning Lipski. Der Sprecher des Bildungsministeriums geht davon aus, dass bereits in einer Woche eine Entscheidung über die berufliche Zukunft der Pädagogin getroffen wird.

Ein Zurück in die Schule, in eine Klasse und vor Schulkinder möchte sich die Schweriner Linken-Fraktionsvorsitzende Simone Oldenburg nicht vorstellen. Die Haltung der Lehrerin, wiederholt sie, laufe dem Auftrag der staatlichen Wertevermittlung zuwider. Oldenburg verweist auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die obersten Richter hätten doch erst Anfang des Jahres explizit erklärt, dass die NPD verfassungsfeindlich sei. Von einem Berufsverbot für die Grundschullehrerin möchte sie nicht sprechen, die Behörde sollte allerdings unterbinden, dass sie weiter Schüler unterrichtet.

In diesem aktuellen Konflikt könnte auch die angesprochene neue Rechtslage auf dem juristischen Prüfstand stehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 17. Januar entschieden, die NPD nicht zu verbieten, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Partei ihre Ziele erreiche. Die Richter hatten aber erklärt, dass die Partei durchaus „verfassungsfeindliche Ziele“ verfolge. Andreas Speit