Die Rückkehr der alten Könige

Tennis Rafael Nadal setzt mit dem Finalsiegin Madrid seine Erfolgsserie auf Sand fort.Der 30-Jährige und Roger Federer, 35, dominieren derzeit die Konkurrenz wie zu ihren besten Zeiten

Mit unbändigem Willen: Nadal im Finale gegen Dominic Thiem Foto: ap

MADRID taz | Erst lieferte Roger Federer die mitreißenden Szenen und Pointen zum erstaunlichen Spiel-Film dieser Tennisserie. Und als der Schweizer Maestro sich erst mal in den Urlaub verabschiedete, da übernahm sein ewiger Rivale, sein Freund und Weggefährte Rafael Nadal, in gewohnter Weise die Regie in den Sandarenen.

Nein, es ist kein Rückblick, keine Archiverzählung aus den Zeiten, als sich der Schweizer und der Spanier wie selbstverständlich die Macht im Welttennis teilten, etwa in den Jahren 2006, 2007 oder 2008. Was sich in diesen Tagen, Wochen und Monaten abspielt, ist nichts weiter als die Neubelebung des größten Konkurrenzdramas überhaupt – Federer und Nadal sind bisher die beherrschenden Figuren der Saison 2017, gegen alle Erwartung. „Es ist verrückt, was passiert“, sagte Nadal am Sonntagabend, als ihm der30. Masters-Sieg seiner Karriere geglückt war, auf heimischem Terrain in Madrid, gegen den bärenstarken österreichischen Newcomer Dominic Thiem.

Alles, was es in diesem Jahr an wichtigen Titeln und Trophäen zu gewinnen gab, befindet sich im Besitz der wieder rüstigen Herren Federer und Nadal. Der Eidgenosse hatte zunächst mit seinem Sprint von null auf hundert imponiert, er gewann die Australian Open (im Endspiel gegen Nadal) und dann auch noch die Masters-Finals in Indian Wells und Miami. Auch dort, im Süden Floridas, stand ihm Nadal gegenüber, er war schon damals in glänzender Form – ganz anders als über weite Strecken der zurückliegenden, von Verletzungssorgen überschatteten Jahre.

Federer prophezeite, dass Nadal eine „Riesensaison auf Sand“ spielen wird – und wie fast immer sollte der 35-Jährige recht behalten. Mit Beginn der Sandplatzsaison ist Nadal der bestimmende Hauptdarsteller. „Er spielt wie in der Glanzphase seiner Karriere“, sagte Thiem, der geschlagene Finalist von Madrid. Monte Carlo, Barcelona, nun auch Madrid: 15:0-Siege stehen in seiner Bilanz, mit der er seinen Ruf als bester Sandplatzspieler aller Zeiten nachdrücklich festigte. 52 seiner 72 Karrieretitel hat der Mallorquiner in seiner Spezialdisziplin gewonnen. „Ich bin einfach dankbar, dass ich wieder dieses gute Tennis spielen kann – ohne gesundheitliche Probleme, ohne Zweifel und Sorgen“, sagte Nadal, der nun vor Federer sogar die Jahreswertung im Herrentennis anführt. Im letzten Jahr fehlten sie beide erstmals zusammen beim rauschenden Saisonfinale der Tennisszene in London, bei der Weltmeisterschaft der besten acht, 2017 werden sie mittendrin und nicht nur dabei sein im Titelkampf. „Die Renaissance der Dinos“, titelte deshalb bereits das amerikanische Magazin TennisLife.

Doch zunächst wartet die große Herausforderung Paris. Ob sich die Wege der beiden dort kreuzen werden, ist noch unklar. Federer ringt mit sich selbst: Soll er Kräfte bei einer unmöglich scheinenden Titelmission vergeuden oder nicht lieber alle Energie auf seinen persönlichen Saisonhöhepunkt verwenden, auf Wimbledon? Nadal will in Paris einen historischen, ehemals für unmöglich gehaltenen zehnten Titel. Und wer soll ihn mit seinem unbändigen Siegeswillen auch gegenwärtig stoppen, ihn, den König der Sandplätze. Etwa Djokovic, der Titelverteidiger von Roland Garros? In Madrid demontierte Nadal den verunsicherten Serben, der nicht wirklich aus seiner tiefgreifenden Sinn- und Ergebniskrise herausfindet. Sieben Spiele hatte Djokovic zuvor gegen Nadal gewonnen, sogar 15 Sätze hintereinander, aber in diesem Madrider Halbfinale war er nur ein Statist der großen Nadal-Show.

Nadal will in Paris einen historischen, ehemals für unmöglich gehaltenen zehnten Titel

Djokovic, aber auch Murray, der Weltranglistenerste, waren die Marktführer, als der Tennisbetrieb ins Jahr 2017 startete. Aber während ihre Namen gerade mit Scheitern und Rückschlägen assoziiert werden, sorgen Federer und Nadal für die strahlenden Momente. Die Titanen von gestern sind auch die Taktgeber im Hier und Jetzt.

Jörg Allmeroth