Kommentar Nach der Wahl in Frankreich: Gegen Misstrauen hilft Demokratie

Nur weil Macron die EU befürwortet, ist deren Vertrauensverlust nicht gelöst. Eine Stärkung des europäischen Parlaments ist nötig.

Zwei Personen halten sich an einem Laternenpfahl fest. Sie schwenken die französische und die Europaflagge

Die Euphorie der Wahlnacht sollte noch ein bisschen andauern Foto: dpa

Ja, sicher, es ist noch mal gutgegangen. Die französische Bevölkerung hat sich gegen Nationalismus und für die Europäische Union ausgesprochen. Wahlsieger Emmanuel Macron ließ die Europahymne noch vor der Marseillaise spielen. Alles in Ordnung, die EU kann also weitermachen wie bisher? Nein, das sollte sie nicht tun. Weil nämlich nicht alle, die in Frankreich für den Front Natio­nal gestimmt haben, verkappte Faschisten sind. Auch ist Großbritannien nicht plötzlich mehrheitlich von Nazis bevölkert. Die EU-Kritiker in anderen Ländern der Union können ebenfalls nicht sämtlich mit dem Etikett „Rechtsextremisten“ abgestempelt werden.

Das Misstrauen gegenüber der EU wächst in Europa. Allen Umfragen zufolge gründet es sich vor allem auf das Gefühl, fremdbestimmt zu sein und keinen Einfluss mehr auf das politische Geschehen zu haben. Anders ausgedrückt: Es geht um Demokratie, also um Demokratisierung.

Macron hat Vorschläge gemacht. Er wünscht sich für die Eurozone ein eigenes Budget, eine gemeinsame Wirtschaftsregierung und die Stärkung des europäischen Parlaments. Was er damit erreichen will, wird man abwarten müssen. Es gibt gute Gründe, Macron zu unterstellen, er sei wirtschaftsliberal und trete für einen Abbau von Arbeitnehmerrechten ein. Aber selbst wenn: Dann wären seine Forderungen deshalb noch nicht prinzipiell falsch.

Prinzipiell. Das bedeutet in diesem Zusammenhang den Wunsch nach einer Stärkung der parlamentarischen Ebene innerhalb der EU. Also zum Beispiel die Forderung, das Europäische Parlament müsse künftig auch von sich heraus Gesetze auf den Weg bringen dürfen. Das ist überfällig. Bisher kontrollieren die Organe der Exekutive – vulgo: die Regierungen – sich weitgehend selbst. So war und ist Gewaltenteilung eigentlich nicht vorgesehen.

Nicht alle, die für den Front National gestimmt haben, sind verkappte Faschisten

Der Balanceakt, den die EU bestehen muss: den nationalen und regionalen Ebenen weiterhin soviel Zuständigkeiten zu erhalten, dass sie nicht als bloße Marionetten von Brüssel erscheinen. Und zugleich die europäischen Institutionen zu demokratisieren. Wenn man das ernstnimmt, dann bedeutet es einen Machtverlust für Regierungen der Natio­nalstaaten. Wenn man das nicht ernstnimmt, dann bedeutet es – über kurz oder lang – ein Ende der EU.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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