USA und Syrien

Die Attacke des US-Militärs gegen eine Luftwaffenbasis in Syrien sorgt für heftige Debatten. In Russland, aber auch in den USA

„Da braut sich was Gefährliches zusammen“

Russland Donald Trump galt als Moskaus Liebling. Jetzt überwiegt Irritation, auch wenn die Russen ihrer Regierung nicht glauben

KIEW taz | Der Kreml hat die US-amerikanischen Luftangriffe in Syrien verurteilt. Washington habe mit seiner Militäraktion die USA und Russland an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht, warnte der russische Premierminister Dmitri Medwedjew .

Bisher sei man in Russland davon ausgegangen, dass der Kampf gegen den interna­tionalen Terrorismus ein gemeinsames Anliegen sei, erklärte Viktoria Schurawljewa vom Zentrum für Nordamerika­studien der Russischen Akademie der Wissenschaften gegenüber fontanka.ru. Der Tomahawk-Angriff habe die Beziehungen zwischen Russland und den USA auf einen neuen Tiefpunkt gebracht, so die Wissenschaftlerin.

„Die USA messen mit zweierlei Maß“, kritisiert der Sozialwissenschaftler Vadim Damier. „Im Vietnamkrieg haben sie selbst Chemiewaffen eingesetzt, und nun greifen sie ein Land an, das Chemiewaffen eingesetzt haben soll“, sagte Damier der taz.

Mit ihrem Angriff auf Syrien hätten die USA nicht nur internationales Recht gebrochen, sondern auch noch den Terroristen geholfen. Auch Tschetscheniens Regierungschef Ramsan Kadyrow bezeichnete auf Instagram den US-amerikanischen Militärschlag als „großzügiges Geschenk an die Terroristen“.

„Hat denn noch niemand bemerkt, dass dieser Angriff genau 100 Jahre nach dem US-amerikanischen Eintritt in den Ersten Weltkrieg stattgefunden hat?“, fragt die russische TV-Journalistin Margarita Simonjan.

Auch in den USA geht man offenbar von einer verschlechterten Beziehung zu Russland aus. Kurz nach dem Raketenangriff rief die US-amerikanische Botschaft in Moskau auf ihrer Internetseite alle in Russland lebenden amerikanischen Staatsbürger zu äußerster Vorsicht auf. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse, so die Botschaft, könnte es zu größeren Demonstrationen, zu Drangsalierungen und zunehmend anti­amerikanischen Sentiments kommen. Gleichzeitig erinnert die Botschaft ihre in Russland lebenden Staatsbürger daran, dass auch friedliche Demons­trationen in Konfrontation und Gewalt enden können.

Für viele Menschen in Russland kam die Militäraktion überraschend. Donald Trump, der während des US-Wahlkampfs der Wunschkandidat des Kreml war, verliert in Russland zunehmend an Unterstützung.

„Ich habe immer gehofft, dass Trump die Wahlen zum US-Präsidenten gewinnt. Doch nun will ich von ihm nichts mehr wissen“, beschreibt Galina, eine Lehrerin in Moskau, ihre Gefühlslage. „Monatelang haben wir in Syrien gegen die islamistischen Fundamentalisten gekämpft. Trump ist doch auch gegen diese Fundamentalisten. Und nun fällt er uns in den Rücken, nur weil er Gewinner spielen will.“ Was sich hier zusammenbraue, so die Sportlehrerin, sei sehr gefährlich.

Man habe in Russland offensichtlich die Erfahrungen, die Fähigkeiten und die Ressourcen, aber auch den unglaublichen Hass der Gruppen unterschätzt, für die eine Annäherung von Trumps Amerika an Russland schlimmer als der Tod sei, schreibt der Journalist Kirill Benediktow. Trotzdem so Benediktow, solle man jetzt Trump nicht als Feind betrachten.

Russlands Bevölkerung und Politiker, so scheint es, lehnen den Angriff der USA ab. Das heißt aber nicht, dass die Bevölkerung mehrheitlich hinter der russischen Position in der Syrien­frage steht. In einer Umfrage des russischen Internetportals rosbalt.ru erklärten 44 Prozent der Befragten, sie glaubten, die von Russland unterstützten Streitkräfte von Assad hätten die Chemiewaffen eingesetzt. Nur 14 Prozent sind der Auffassung, die Opposition in Syrien sei für den Einsatz verantwortlich. Bernhard Clasen