Gedenken an NS-Opfer in Sachsen: Diktaturopfer zweiter Klasse

Opfer der NS-Militärjustiz warten auf eine würdige Gedenkstätte in Torgau. Bisher steht das Gedenken an DDR-Unrecht im Mittelpunkt.

Ein Mann hält ein Schriftstück in die Höhe

Ludwig Baumann, ehemaliger Wehrmachtsdeserteur, zeigt eine Kopie seines Todesurteils von 1942 Foto: ap

„Wahrscheinlich wird kein Opfer der NS-Militärjustiz noch ein angemessenes Gedenken erleben!“ Rolf Surmann ist Mitglied der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz und frustriert. Im Beirat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten kämpft er seit Jahren für ein würdiges Gedenken der Opfer. Aktuell im Rahmen der Neugestaltung der Ausstellung „Spuren des Unrechts“ auf Schloss Hartenfels in Torgau.

1943 war das Reichskriegsgericht in die Stadt verlegt worden, im benachbarten Fort Zinna befand sich das größte Militärgefängnis der Nazis. Nach der Gedenkstättenkonzeption des Bundes von 1999 soll Torgau Schwerpunkt der Erinnerung an die Wehrdienstverweigerer und hingerichteten Deserteure im Dritten Reich werden. Aus Frust über die Stagnation dieses Vorhabens stellte die Bundesvereinigung im Dezember 2016 ihre Mitarbeit ein.

Die Vorgänge in Torgau können in Zusammenhang mit der speziellen sächsischen Erinnerungspolitik gesehen werden. Wegen der faktischen Gleichsetzung von Nazi- und SED-Diktatur im 1. Sächsischen Gedenkstättengesetz hatten sich 2004 der Zentralrat der Juden und NS-Opferverbände aus der Gedenkstättenstiftung zurückgezogen.

Torgau spielte schon damals eine zentrale Rolle. Nachdem sie sich ausgesöhnt hatten, konnten die Bundesvereinigung die Stiftung und die Landesregierung 2009 eine Einigung über die neu zu gestaltende Dauerausstellung erreichen. An dieser wurden aber bislang nur marginale Korrekturen vorgenommen. Nach wie vor ist den Opfern der NS-Militärjustiz nur ein Drittel der Ausstellungsfläche auf Schloss Hartenfels gewidmet. Breiten Raum nimmt dagegen die Erinnerung an die Opfer der sowjetischen Besatzung und der DDR ein.

Linke: Verstoß gegen Gedenkstättenkonzeption

Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag, wertet dies als einen „Verstoß der Stiftung Sächsische Gedenkstätten gegen die (…) Gedenkstättenkonzeption des Bundes“. Er hat eine Anfrage an Monika Grütters gerichtet, Staatsministerin für Kultur und Medien. Die Ministerin verweist in ihrer Ende März eingegangenen Antwort nicht nur auf die Landeszuständigkeit und auf „größtmögliche Zurückhaltung“ der Bundesregierung.

Sie widerspricht auch der Behauptung, die derzeitige Ausstellung würde die Intentionen der Gedenkstättenkonzeption konterkarieren. Im Detail zeigt sich das Kulturministerium wenig informiert. „Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung ihre Kontrollfunktion wahrnimmt“, fordert deshalb der Linken-Abgeordnete Korte.

Jan Korte, Linkspartei

„Der Bund muss die Kontrollfunktion wahrnehmen“

In Sachsen scheint die Umsetzung der Grundsatzeinigung von 2009 und der 2011 in allen Stiftungsgremien gebilligten 2-Stufen-Konzeption festgefahren. „Die Neugestaltung kann umgesetzt werden, sobald durch den Freistaat Sachsen und die Bundesregierung zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden“, antwortet Sprecherin Julia Spohr für die Gedenkstättenstiftung.

Das zuständige Wissenschafts- und Kunstministerium entgegnet, die Vorbereitungsarbeiten seien „jedoch noch nicht so weit fortgeschritten, dass ein Antrag auf zusätzliche Bundes- oder Landesmittel gestellt werden kann“. Die Stiftung habe lediglich Varianten und grobe Kostenvorstellungen übermittelt. Eine Fördervereinbarung mit dem Bund, wie sie für die Stasi-Gedenkstätte Bautzen getroffen werden konnte, gibt es für Torgau nicht.

Für Rolf Surmann liegt das „Versagen der Stiftung“ auf der Hand. Geschäftsführer Siegfried Reiprich habe den 2011 vereinbarten Zeitplan nicht eingehalten. Eine provisorische Lösung lehnt die Opfervereinigung ab.

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