Europa

Zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der EU-Gründungsverträge treffen sich die RegierungschefInnen zum Sondergipfel in Rom

Ein Fest der Bürger ist das nicht

Zivilgesellschaft Die RegierungschefInnen tagen gut bewacht, in der Stadt wimmelt es von Polizei. Vier Demos gibt es – gegen die Politik der EU

ROM taz | Nein, ein Bürgerfest werden die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge gewiss nicht. Wenn die ChefInnen der 27 Staaten am Samstag früh im Kapitolspalast zusammentreffen, werden sie als Publikum bloß Pulks von JournalistInnen, vor allem aber jede Menge Uniformierte antreffen.

Seit Tagen wimmelt es in Roms Stadtzentrum von Polizisten, von Soldaten in Tarnkleidung, das Sturmgewehr im Anschlag. Und von Freitag an werden die Viertel rund um den Kapitolshügel, rund um den Palast des Staatspräsidenten abgeriegelt – wegen Terrorgefahr, doch auch das gemeine Volk soll den Palazzi nicht zu nahe kommen.

Gleich vier Demonstra­tio­nen, dazu zwei Sit-ins stehen am Samstag auf dem Programm. Und bloß der „Marsch für Europa“ will halbwegs positive Akzente setzen und für die Stärkung der Europäischen Union trommeln. Ansonsten steht Protest im Vordergrund, von der Linken, die gegen das neoliberale Europa des Kapitals auf die Straße geht, womöglich samt Schwarzem Block, bis hin zu Neofaschisten und „Souveränisten“, die raus aus der Union wollen. Bürgerfeste gibt es dagegen gar nicht.

Feierlaune wäre in Rom, wäre in Italien wohl auch schwer herzustellen. Noch vor wenigen Jahren war es südlich des Brenner ganz selbstverständlich, sich für Europa zu begeistern – große Mehrheiten sprachen sich regelmäßig für die EU aus. Doch dann kam die Eurokrise und die Stimmung kippte. Seit 2007 büßte Italien knapp 10 Prozent seines BIPs ein, sanken die Einkommen, und für viele Italiener liegt auf der Hand, wo die Verantwortlichen der Austerität sitzen: in Brüssel und Berlin.

Laut Eurobarometer stehen heute gerade noch gut 30 Prozent der Italiener positiv zur EU, die meisten von ihnen wählen die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) Matteo Renzis und des Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni. Doch die PD kommt in letzten Umfragen auf nur noch 27 Prozent, deutlich überflügelt von der mit dem Austritt aus dem Euro liebäugelnden Protestbewegung der „Fünf Sterne“, die auf ein Allzeithoch von nunmehr knapp 33 Prozent geschnellt ist. Ganz raus aus der EU wollen die rechtspopulistische Lega Nord ebenso wie die postfaschistische „Fratelli d’Italia“ („Brüder Italiens“). Die euroskeptischen bis europafeindlichen Kräfte machen etwa die Hälfte der Wählerschaft aus, und im Februar 2018 stehen Wahlen an. Die Zeiten europafreundlicher Regierungen in Rom könnten dann vorbei sein. Michael Braun