STADTGESPRÄCH
: Diszipliniert nass machen

in Myanmar erregen neue Regierungsvorschriften Zum traditionellen Wasserfest die Gemüter der Bevölkerung

Verena Hölzl AUS RANGUN

In Myanmars Teeshops, auf den Märkten und in den sozialen Netzwerken scheint es im Moment nur ein Thema zu geben: Was wird aus dem Wasserfest?

Anlässlich des ­buddhistischen Neujahrfests findet alljährlich im April – wie in anderen Ländern Südostasiens – nach altem Brauch eine wilde Wasserschlacht statt: Wer in dieser Zeit vermeiden will, auf der Straße von Nachbarn, Freunden oder auch wildfremden Leuten mit Wasser überschüttet zu werden, sollte lieber zu Hause bleiben.

Üblicherweise dauert das Wasserfest zehn Tage – zumindest bislang war das so. Aber nun hat die mit dem Militär regierende National League for Democracy (NLD) eine einschneidende Entscheidung verkündet. In diesem Jahr dürfe nur noch fünf Tage lang gefeiert werden. Begründung: Damit werde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der birmesischen Wirtschaft gestärkt.

Kyi Kyi Tun, 28, Arbeiterin in einer von Ranguns Textilfabriken, ist wie viele ihrer Landsleute wütend. Sie arbeitet an sechs Tagen die Woche 10 Stunden für 2,50 Euro täglich. Aber: „Die Beamten haben weiterhin zehn Tage lang frei“, sagt sie.

Ein Jahr ist es her, dass die Partei der Friedensnobelpreisträgerin und früheren Opposi­tionspolitikerin Aung San Suu Kyi nach einem halben Jahrhundert der Militärdiktatur an die Macht kam. Seither sind viele Hoffnungen, die mit ihrem Aufstieg verknüpft waren, enttäuscht worden. Dazu haben große Probleme – wie die katastrophale Situation der muslimischen Rohingya – ebenso beigetragen wie Alltägliches, wozu eben auch das Wasserfest zählt. Erst kürzlich schürte NLD-Bezirksminister Phyo Min Thein noch den Ärger, als er kommerzielle Bühnenshows, die es bislang zum Wasserfest überall in der Stadt gab, drei Wochen vor Start der Veranstaltungen verbot. Der als Hardliner bekannte Politiker sagte dazu: „Eltern sollten ihre Töchter nicht mehr zu ihrem Entsetzen auf den Bühnen entdecken müssen.“ Zudem ist es jetzt nur noch von 8 bis 12 Uhr und von 3 bis 6 Uhr erlaubt, sich gegenseitig mit Wasser zu bespritzen.

Kritische Geister in Myanmar bezeichnen den Regierungstil der NLD als „disziplinierte Demokratie“. Eine solche hatten sich die Generäle gewünscht, kurz bevor sie sich – zumindest scheinbar – in die zweite Reihe hinter der NLD-Regierung zurückzogen. Und Aung San Suu Kyi, Myanmars Staatsrätin, hat aus ihrem Wunsch nach Disziplin und Gehorsam nie einen Hehl gemacht. Parlamentarier wurden ange­wiesen, der Regierung keine kniffligen Fragen zu stellen.

„Ich habe immer gesagt, ich werde mein Bestes geben. Wenn die Menschen der Meinung sind, meine Anstrengungen seien nicht groß genug, und wenn es irgendjemanden gibt, der besser ist als wir, dann sind wir gerne bereit uns zurückzuziehen“, sagte sie am Donnerstag in einer ihrer seltenen TV-Ansprache ans Volk.

Während die Minderheiten in Myanmar, die immerhin 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, zornig sind, dass der Friedensprozess stockt und sich die Kämpfe zwischen ethnischen Rebellen und der Zentralarmee sich derzeit verschlimmern, sind die Birmesen generell geduldig mit ihrer Regierung: „Es ist ja erst ein Jahr“, fasst der Taxifahrer U Than Aung zusammen, was viele denken.

Es sind vor allem die kleinen Dinge aus ihrem Alltag, die Myanmars Bevölkerung interes­sieren. Eine Kundgebung für mehr Meinungsfreiheit und gegen einen umstrittenen Verleumdungsparagrafen lockte im Januar weniger als 500 ­Menschen auf die Straße. Die Umstellung von Ranguns ma­rodem Bus­system beherrschte die Schlagzeilen dagegen tagelang.

Dass im fernen Genf Di­plomaten im UNO-Menschenrechtsrat dafür stimmten, eine Untersuchungskommission in Myanmars Teilstaat Rakhine zu schicken, von wo seit Oktober 70.000 Mitglieder der Rohingya-Minderheit nach Bangladesch geflohen sind, wird ignoriert.

Am Wochenende gibt es Nachwahlen für das Parlament in 19 Wahlkreisen. In Rangun stehen schon jetzt mehr Wasserfestbühnen als Wahlstationen.