Portrait
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Engagiert gegen den Namensvetter: Erhan Erdoğan Foto: privat

Der Anti-Erdoğan

Eigentlich wollte Erhan Erdoğan bloß zum studieren nach Deutschland kommen. Doch dann, im September 1980, putschte sich das türkische Militär zum wiederholten Male an die Macht. Damit war an eine Rückkehr in die Türkei für ihn nicht mehr zu denken. Erdogan, der sich dort in der linken Studentenbewegung politisch engagierte, blieb in Deutschland und beantragte Asyl als die türkische Regierung in seiner Abwesenheit Anklage gegen ihn erhob. Der Vorwurf: negative Propaganda gegen die Türkei.

Auch heute setzt sich Erdoğan für seine politischen Überzeugungen ein: als Mitbegründer der Initiative „Hamburg musiziert für ein #NEIN“. Die demonstrierte am Sonntag vor der Elbphilharmonie gegen das Referendum in der Türkei, mit dem der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan seine Macht ausbauen will.

Als im Jahr 1993 der Paragraph 140, „Propaganda gegen die Türkei“, aus dem türkischen Strafgesetzbuch gestrichen wurde, hätte Erhan Erdoğan wieder in seine Heimat zurückkehren können. Doch im Jahr 2000 gab er seine türkische Staatsbürgerschaft zugunsten der deutschen auf. Er wurde Sprachlehrer, 2004 zog er mit seiner eigenen Sprachschule in eine alte Fabrikhalle in der Sternschanze. Die Schule existiert nicht mehr, aber Erdoğan arbeitet weiter als Sprachlehrer. „Als ich meine Schule gegründet habe, blieb mir nicht viel Zeit für politisches Engagement“, sagt Erdoğan. Doch die veränderte politische Situation in der Türkei treibt ihn heute wieder auf die Straße.

„Die Art und Weise, mit der die türkische Regierung für Ja-Stimmen wirbt, spaltet die Gesellschaft“, so Erdoğan. Dem will sich seine Initiative entgegenstellen: Über 800 türkischstämmige Zuhörer haben die Musiker bei ihrem Konzert am Sonntag gezählt – Gegner und Befürworter des Verfassungsreferendums. „Die Menschen sind zurzeit verfeindet“, sagt Erdoğan, dass mache den Dialog schwierig. Doch der Deutschlehrer glaubt fest daran, dass die Mehrheit der Türken am 16. April mit „Nein“ stimmen werde. Dass bedeutet für ihn jedoch nicht, dass sein Geburtsland danach sofort wieder demokratisch wird: „Unsere Arbeit fängt gerade erst an.“

Muriel Kalisch