Wahlwerbung aus dem Ministerium

LANDTAGSWAHL Der Wissenschaftliche Dienst des Landtags in Kiel hält Passagen aus Ministerbriefen für verfassungswidrige Wahlwerbung für die SPD. Die CDU und FDP wollen vor Gericht ziehen

Der Wissenschaftliche Dienstes des schleswig-holsteinischen Landtags sieht verfassungswidrige Wahlwerbung durch die Kieler Landesregierung. Laut einem Gutachten im Auftrag der FDP-Fraktion überschreiten einzelne Passagen in Briefen von Bildungsministerin Britta Ernst und Innenminister Stefan Studt (beide SPD) „die verfassungsrechtlichen Grenzen regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit“. Die CDU hat angekündigt, wegen dieser Schreiben und ähnlicher Briefe des Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) das Landesverfassungsgericht anzurufen.

Dem Gutachten zufolge verstößt ein solches „parteiergreifendes Hineinwirken in den Wahlkampf gegen das aus dem Demokratieprinzip, dem Grundsatz freier Wahlen und dem Recht der Parteien auf Chancengleichheit abgeleiteten ‚Gebot äußerster Zurückhaltung‘ staatlicher Organe im Wahlkampf“. In der Vorwahlzeit müsse sich die Regierung auch mit Arbeits- und Leistungsberichten zurückhalten.

Studt hatte den Mitarbeitern der Polizei im Intranet geschrieben, er und der Ministerpräsident hätten sich darauf verständigt, die Arbeitszeit der Beamten schrittweise zu reduzieren – nach der Landtagswahl. „Das heißt mit anderen Worten: Wählt SPD, dann verkürzen wir eure Arbeitszeit“, sagte CDU-Fraktionschef Daniel Günther der taz.

Ernst hatte in einer E-Mail an Schulleiter, Lehrer, Eltern und Schüler darauf hingewiesen, dass die Regierungskoalition mehr Lehrerstellen geschaffen habe als von der Vorgängerregierung vorgesehen. „2009 wurde das in fast identischer Formulierung vom saarländischen Verfassungsgericht kassiert“, sagte Günther.

Der CDU-Fraktionschef kritisiert auch ein 10.000 Euro teures Imagevideo, in dem Ministerpräsident Albig kundtut, er würde gerne weitere fünf Jahre regieren. „Die Öffentlichkeitsarbeit einer Landesregierung hat sachbezogen zu sein“, sagt Günther. Und es sei auch nicht in Ordnung, dass Albig in einem gedruckten Brief an junge Eltern auf das Krippengeld seiner Regierung hinweise.

Die FDP will sich der Klage der CDU wegen des Vorwurfs unerlaubter Wahlwerbung anschließen. „Das, was gerade passiert in Schleswig-Holstein, ist verfassungswidrig“, sagte Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

SPD-Landeschef Ralf Stegner hatte der Opposition vorgeworfen, zu skandalisieren statt über Inhalte zu reden. Minister Studt sagte, er wende sich regelmäßig an seine Mitarbeiter und werfe dabei auch einen Blick voraus. Ernst teilte mit, ähnliche E-Mails seien auch von den Ministern der Vorgängerregierungen versandt worden. (dpa/taz)