Neuneinhalb Wochen, Teil 8
: Wo das deutsche Erbe tobt

Susanne Gieffers, taz bremen-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert

Was in Bremen begann, endete nicht selten in Minneapolis. Für viele Menschen war Minnesota die neue Welt, in die sie aus den Auswandererhallen in Bremen und Bremerhaven in beschwerlicher Reise auf überfüllten Schiffen aufgebrochen waren. Läden wie der „Gasthof zur Gemütlichkeit“ oder das „Black Forrest“ zeugen heute von diesen Wurzeln. „Brats mit Kraut“ sind hier so beliebt wie Hotdogs, wobei das Wort „mit“ stets verwirrt und manche Kunden ausdrücklich „with mit“ bestellen, um bloß nichts zu versäumen.

Fast jeder hat hier eine deutsche Oma oder eine schwedische Großtante, die Jugend begeht einen kultigen Abend gerne mit Polka tanzen und Schnaps trinken und lässt sich dafür von der Deutschen von nebenan stilecht trainieren („Say: Proast!“). Und das war es auch schon mit der deutschen Vergangenheit. Der Rest ist absorbiert in der amerikanischen Identität, die nicht zuletzt daraus besteht, dass jeder eine andere Herkunft hat –so what.

Doch außerhalb der Mississippi-Metropole, da tobt das germanische Erbe. Vor allem in New-Ulm. Gegründet Mitte vorvergangenes Jahrhundert von Auswanderern aus Württemberg wurde die neue Heimat nach der alten Hauptstadt Ulm benannt und ist heute, ach nee, deren Partnerstadt.

Die Geschäfte in dem dösigen Örtchen heißen „Haar Friseure“ oder „Mietwaschsalon“, das „Guten-Tag-Haus“ verkauft die Desiree Waffelmischung (unverbindliche Preisempfehlung 79 Cent) für nur 4 Dollar 50. Es gibt ein Oktoberfest, ein Bockfest und Fasching. Bis vor kurzem gab es auch noch das Deutsche-Erbe-Fest, das aber mangels Interesse hiesiger junger Menschen an Schuhplattler und Volksmusik bis auf weiteres abgesagt ist.Der Tatsache, dass die Deutschen nicht die ersten in diesem Land waren, hat das Heimatmuseum sein Dachgeschoss gewidmet – mit einer zoologischen Ausstellung über die Dakota-Indianer, in der von „ihrer Kultur und unserer“ die Rede ist – keine Frage, wer hier wen besiegt hat. Das deutscheste an New-Ulm aber ist das Hermann-Monument („Höööörmäään dse Dschöööörmääään“). Das ist nicht ganz so erhaben wie sein großer Bruder im Teutoburger Wald, dafür aber apart platziert in „Hermann Heights“ zwischen Wasserturm und Stromleitung. Jane und H. J. fahren mich zweimal drumherum und kichern über mein Bedürfnis, das Wort „Heights“ adäquat zu übersetzen. Höhe würde gehen, Anhöhe vielleicht, Hügel klingt zu popelig für dieses Denkmal des Deutschtums. „Heights“, beendet Jane schließlich mit gewohntem Aktualitätsbezug die Sinnsuche der Fremden, „ist da, wo man keine Flutversicherung braucht.“