Brexit

Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung der Queen. Die Diskussionen aber laufen weiter

Die Rechte der anderen

Proteste Vor dem britischen Parlament stehen Demonstranten – für und gegen den Brexit. Einige reden gar miteinander

LONDON taz | Zur Feier des Commonwealth-Tages hängen rund um den Parliament Square die Fahnen aller Mitgliedstaaten. Sie erinnern an die imperiale Vergangenheit des britischen Königreichs. Der Menschentraube, die sich dort vor einer Rednerbühne versammelt hat, geht es jedoch um Gegenwart und Zukunft. Die wenigen hundert Brexitgegner stehen am Montagabend draußen vor dem Parlament, weil drinnen gerade über Rechtsgarantien für EU-Bürger beim Austritt Großbritanniens aus der Union entschieden wird.

Birte Gippert, eine 32-jährige Akademikerin aus Lübeck, ist aus Frustration gekommen. Seit acht Jahren lebt sie in Großbritannien, aber „wir wurden nicht zum Brexit befragt“. Den Glauben an das Ideal der europäischen Freiheit gebe sie dennoch nicht auf.

Kritischer geben sich drei Studenten aus Griechenland. Es geht ihnen ums große Ganze. Die Europäische Union sei reformbedürftig, meint der 24-jährige Panos Panagotou. Aber die EU müsse von innen verändert werden und gemeinsam, glaubt er. Was das Parlament genau beschließt, ist den drei Griechen relativ egal. „Wir sind mit unserer Universitätsausbildung bald fertig“, sagt die 21-jährige Adriana Mara. „Wenn man uns das Leben hier schwer macht, können wir ohne Probleme woandershin ziehen.“

Auf dem Podium beginnen die Reden, die meisten stammen von Gewerkschaftlern mit Migrationshintergrund. Dann spricht die Labour-Abgeordnete Diane Abbott: „Ich habe selber Migrationshintergrund. Meine Eltern kamen aus Jamaika.“ Sie plädiert für Solidarität mit den Bürgern der anderen EU-Staaten und fordert, gegen Rassismus, Islamophobie und Antisemitismus zu kämpfen.

„Auf einmal fremd“

Chris Thomas, 44, dessen Eltern einst von der Karibikinsel St. Vincent nach England zogen, stimmt ihr zu. „Meine französische Partnerin fühlt sich auf einmal als Fremde hier.“ Die Brexitbefürworter seien zum Teil die Gleichen, die ihn einst in der Schule wegen seiner Hautfarbe hänselten. Und der belgische Küchenchef Andrew Schmidt, 58, der seit 1981 in Großbritannien lebt, fühlt sich zum Brexit-Verhandlungsobjekt degradiert, „obwohl ich hier geheiratet habe, ein Haus und zwei Kinder habe“.

Auf der Straßenseite gegenüber zeigt sich eine kleine Gegendemo. Ein Dutzend Anhänger der EU-kritischen Partei Ukip fordert auf Plakaten das Ende der europäischen Handelsgemeinschaft. Eine einzelne Brexitgegnerin stellt sich den Ukippern. Sie entpuppt sich als in Frankreich geborene, aber in London lebende Professorin für internationale Beziehungen.

Als sie den drohenden Wegfall der Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger beklagt, stimmt ihr Ukip-Mitglied Raymond Tilstock, 72, sogar zu. Seine Nichte sei französisch und seine Frau stamme aus Bangladesch. „Anders, als die da schreien“, sagt er und deutet auf die Brexitgegner auf der anderen Straßenseite, „bin ich weder Rassist noch islamophob, noch will ich, dass Menschen, die hier seit Jahren leben, ihre Rechte verlieren. Mir geht es einzig um die Souveränität Westminsters.“ Dann geben sie sich die Hände.

Das Parlament hat derweil Nein zu den Verfügungen aus dem House of Lords gesagt, die die Rechte der EU Bürger absichern sollten. Der Platz leert sich rasch. Nur die Fahnen des Commonwealth wehen bis tief in die Nacht. Daniel Zylbersztajn