Argumentieren gegen Bomben bleibt erlaubt

Oberlandesgericht Koblenz spricht Friedensaktivisten endgültig frei: Aufruf zur Befehlsverweigerung am Atomwaffen-Standort Büchel ist nicht strafbar. Ob ein möglicher Einsatz gegen das Völkerrecht verstößt, lassen die Richter aber offen

FREIBURG taz ■ Wer Bundeswehrsoldaten dazu aufruft, Atomwaffen-Einsätze zu verweigern, macht sich nicht strafbar. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz bestätigte gestern ein Urteil des dortigen Landgerichts. Der Freispruch für den Heidelberger Sozialpädagogen Hermann Theisen und die Erftstädter Musikerin Hanna Jaskolski bleibt damit bestehen.

Die Aktivisten hatten 2004 mehrmals Flugblätter vor dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz verteilt. Darin hatten sie die Soldaten aufgefordert: „Verweigern Sie jegliche Beteiligung an der völker- und grundgesetzwidrigen nuklearen Teilhabe.“ Nach Einschätzung von Militärexperten lagern an dem Standort rund 20 US-Atomsprengköpfe. Die Tornado-Besatzungen in Büchel sind dafür ausgebildet, die Bomben im Kriegsfall aufzunehmen und auch abzuwerfen.

Der Aufruf zur Befehlsverweigerung wurde in erster Instanz vom Amtsgericht Cochem an der Mosel als „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ gewertet und teilweise mit mehrmonatigen Haftstrafen quittiert. Zwar hob das Landgericht Koblenz im Frühjahr die Verurteilung auf, doch die Staatsanwaltschaft ging in Revision. Allerdings ohne Erfolg.

„Die Angeklagten haben im Grunde nichts anderes getan, als die Soldaten zu einer Gewissensentscheidung aufzurufen“, sagte der Vorsitzende Richter Hartmut von Tzschoppe bei der Urteilsverkündung. „Sie haben nicht etwa die Soldaten einfach nur aufgefordert, gewisse Befehle nicht zu befolgen. Sie haben argumentiert, und zwar intensiv argumentiert.“

Das Gericht blieb aber nicht bei der Beurteilung des Flugblattes stehen. Nach Auffassung der Richter müssten auch Soldaten, die dem Aufruf folgen, straflos bleiben, wenn es sich um eine „sorgfältige, an Recht und Moral orientierte Gewissensentscheidung handelt“. Das OLG Koblenz orientierte sich dabei an einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni. Das Leipziger Gericht hatte damals dem Bundeswehr-Major Florian Pfaff, der sich nicht am Kosovo-Krieg beteiligen wollte, eine straflose Gewissensentscheidung zugesprochen.

Offen bleibt aber weiterhin, ob der Einsatz von Atomwaffen gegen Völkerrecht verstößt, wie die Aktivisten behaupten. Das Gericht erklärte zu dieser Frage gestern nur, das Flugblatt sei ein „Meinungsbeitrag in einer die Öffentlichkeit wesentlich, ja geradezu existenziell berührenden Frage“. CHRISTIAN RATH