Einführung der Tobin-Steuer: Noch ist die Börsensteuer nicht tot

Die EU-Staaten verhandeln weiter ergebnislos über die Abgabe auf Finanztransaktionen. Schäuble sieht das bisherige Konzept als Schweizer Käse.

Eine Scheibe Schweizer Käse hochkant im Gegenlicht, davor liegt eine weitere Scheibe im Schatten

Schäubles Bild von der Tobin-Steuer. Aber stimmt das so oder ist es nur Kalkül? Foto: dpa

BERLIN taz | In Deutschland könnte die neue Steuer 10 oder 20 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen pro Jahr bringen – für die Sanierung von Schulen oder bessere Datenleitungen. International wären es vielleicht 40 oder 50 Milliarden. Doch auch nach fast zwei Jahrzehnten Debatte und etlichen politischen Anläufen können sich die europäischen Staaten nicht auf ein gemeinsames Modell für die Finanztransaktionsteuer einigen.

Die Zeit für die Einführung einer solchen Steuer sei nicht einfach, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag nach einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Er verwies auf den geplanten EU-Austritt Großbritanniens und die neue Konkurrenz zum Finanzplatz London. Höhere Kosten für die Börsen auf dem Kontinent betrachtet die Finanzlobby deshalb als Problem. „Selbst beim Schweizer Käse darf’s nicht nur Löcher haben“, sagte Schäuble. „Es muss auch noch ein bisserl was drum rum sein, sonst ist’s nur noch ein Loch und kein Schweizer Käse.“

Das Ergebnis der jüngsten Verhandlung: weitere Berechnungen, neuer Termin im März. Die grüne Finanzexpertin Lisa Paus dazu: „Schäuble gibt sich keine Mühe, einen Kompromiss und eine Entscheidung zu erreichen. Ich befürchte, dass er auf Zeit spielt, um das Thema zu beerdigen.“ Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wies das zurück: „Wir setzen uns für eine einvernehmliche Lösung ein.“ Schließlich habe Schäuble maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Finanztransaktion­steuer unter den zehn Staaten überhaupt vorankomme.

Grundsätzlich haben sich Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Polen, die Slowakei, Slowenien und Spanien geeinigt, die Umsätze mit Aktien, Derivaten und Optionspapieren einer niedrigen Besteuerung zu unterwerfen. Über die Details wird gestritten. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht, dass die Börsensteuer keine Nachteile für die Finanzierung der Realwirtschaft und Altersvorsorge auslösen dürfe. Das treibt auch den belgischen Finanzminister um: Er fürchtet zu hohe Kosten für einheimische Pensionsfonds. Auch aus Slowenien kommt Kritik.

Wolfgang Schäuble, Finanzminister

„Selbst beim Schweizer Käse darf’s nicht nur Löcher haben“

Öffentlich diskutiert wird das Thema seit Ende der 1990er Jahre, als in Frankreich die globalisierungskritische Organisation Attac gegründet wurde. Diese trägt die Forderung nach der Besteuerung von Finanzgeschäften im Namen. Die Steuer sollte einerseits das Spekulationstempo an den Finanzmärkten verringern, andererseits Einnahmen für staatliche Ausgaben generieren.

Nach der Finanzkrise ab 2008 avancierte die Steuer zum EU-Thema, bekämpft von der britischen Regierung. Schließlich kam es zur kleinsten internationalen Variante – einer Steuer im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit, an der mindestens neun EU-Staaten teilnehmen müssen.

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