Nordkoreas Raketen lösen Wettrüsten aus

Aufrüstung Die USA haben begonnen, in Südkorea ein umstrittenes Abwehrsystem für Raketen aufzubauen. China deutet das als Angriff und lässt es Korea spüren

Landen Kims Raketen in Zukunft noch im Wasser – oder werden sie schon vorher abgeschossen? Foto: reuters

aus Seoul Fabian Kretschmer

Nur Stunden nachdem Nordkorea am Montagmorgen vier Raketen ins Japanisches Meer abfeuerte, landete im benachbarten Südkorea heimlich ein Militärflugzeug auf der US-Basis Osan. Im Frachtraum führte es zwei Fahrzeuge, die auf den ersten Blick herkömmlichen Lkws ähneln. Tatsächlich transportierten diese das umstrittene Raketenabwehrsystem THAAD, das auf einem ehemaligen Golfplatz 200 Kilometer südlich von Seoul installiert wird.

Aus Sicht des US-Militärs, das in Südkorea knapp 30.000 Soldaten stationiert hat, ist THAAD eine Art Wunderwaffe gegen eine wachsende atomare Bedrohung aus Pjöngjang: Das Abwehrsystem soll Kurz- und Mittelstreckenraketen während ihrer letzten Flugphase abfangen und vollständig vernichten können. Entwickelt wurde das System in den 90er Jahren als Maßnahme gegen irakische Scud-Raketen. Mit seiner hohen Reichweite und Flughöhe zählt es zu den fortgeschrittensten Abwehrsystemen überhaupt.

Als die derzeit wegen einer Korruptionsaffäre entmachtete Präsidentin Park Geun Hye im Vorjahr die Pläne des US-Militärs bewilligte, spaltete sie die Bevölkerung in zwei etwa gleich große Lager: Die konservativen Wählerschichten begrüßen den Schutzschild gegen die nordkoreanische Bedrohung. Regelmäßig droht Diktator Kim Jong Un, die Hauptstadt Seoul „in ein Meer aus Feuer“ zu verwandeln.

Die oppositionelle Linke hingegen fürchtet ein militärisches Wettrüsten in der Region, das die Stationierung von THAAD nach sich ziehen könnte. Zudem sei man um die Beziehung zu China besorgt, das das Raketenabwehrsystem als Angriff auf seine nationale Souveränität wertet. Am Dienstag drohte China den USA mit nicht näher ausgeführten „Gegenmaßnahmen“. Washington und Seoul würden die Konsequenzen tragen, denn China werde die „eigenen Sicherheitsinteressen wahren“.

Schon länger kritisiert China die geplante Stationierung. „Wir müssen das Land nicht ausbluten lassen. Wir fügen ihm besser Schmerzen zu“, hieß es vergangene Woche in einem Kommentar der parteinahen Global Times. Was dies bedeutet, spüren koreanische Restaurant-, Karaoke- und Kaufhausbesitzer schon heute: Die kaufkräftigen chinesischen Touristen – mit Abstand die größte Gruppe ausländischer Besucher – bleiben aus.

Nachdem das Pekinger Tourismusministerium einen Verkaufsstopp für Gruppenreisen nach Südkorea angeordnet hat, kündigte am Dienstag ein großes Theater in der Seouler Innenstadt an, zumindest „für die nächsten Monate“ schließen zu wollen – ein erstes prominentes Opfer der chinesischen Vergeltungsaktionen.

Das Ausreiseverbot: Die Affäre um den Giftmord am Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un in Malaysia entwickelt sich zwischen beiden Ländern zu einer ernsthaften diplomatischen Krise. Das Regime in Pjöngjang verhängte am Dienstag ein Ausreiseverbot gegen malaysische Staatsbürger.

Die Reaktion: Malaysias Ministerpräsident Najib Razak warf Nordkorea Geiselnahme vor. Zugleich gab er bekannt, dass nun ebenfalls keine Nordkoreaner Malaysia verlassen dürfen.

Der Mord: Die Beziehungen zwischen den Staaten sind seit dem Anschlag auf Kim Jong Nam angespannt. Dieser war auf dem Flughafen von Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur von zwei Frauen mit dem Nervengift VX angegriffen worden. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. (dpa)

Am vielleicht stärksten leidet derzeit der koreanische Kulturexport, der zu großen Teilen vom chinesischen Markt abhängig ist. In den vergangenen Wochen wurden immer wieder Konzerte von K-Pop Bands kurzfristig abgesagt, ebenso landesweite Werbeverträge mit koreanischen Schauspielern Ein halbes Dutzend beliebter Fernsehserien wurden aus chinesischen Streamingdiensten gelöscht.

Dennoch sei es „sinnlos“ für Südkorea, eine offizielle Beschwerde einzureichen, schreibt der renommierte Korea-Forscher Andrei Lankow: „Südkoreanische Firmen sind es gewohnt, mit westlichen Staaten umzugehen, in denen Sanktionen transparent und vorhersehbar sind. China hingegen implementiert seine Sanktionen auf schleierhaften, heimlichen Wegen.“

Dies spürte auch der südkoreanische Konzern Lotte, auf dessen ehemaligem Grundstück das Raketenabwehrsystem THAAD aufgebaut wird. Die Unternehmenshomepage wurde kurzfristig von chinesischen Hackern lahmgelegt, mehrere Supermarktfilialen wurden „aus Brandschutzgründen“ geschlossen.