Rüstungspolitik

China hat nach den USA den zweitgrößten Verteidigungsetat. ­Während Trump nun groß auffahren will, gibt sich Peking vorsichtig

Bloß nicht den Kopf verlieren

Verteidigung China erhöht die Armeeausgaben moderater als zunächst angenommen und setzt damit zur Abwechslung auf Zurückhaltung. Das Wettrüsten ist aber noch nicht vorbei

Sicherheitsleute bewachen am Sonntag die Eröffnungssitzung auf dem Nationalen Volkskongress in Peking Foto: Thomas Peter/reuters

aus Peking Felix Lee

Diese Ankündigung überrascht. Noch vor einigen Tagen hatte die chinesische Staatszeitung Global Times in einem Leitartikel „einen mindestens zehn Prozent höheren Verteidigungsetat“ gefordert. Die USA seien bereits eine militärische Supermacht, rüsteten aber weiter auf, hieß es da. Die Zeitung steht den Hardlinern innerhalb der regierenden Kommunistischen Partei nah. Offensichtlich konnten die sich aber nicht durchsetzen.

Zum Auftakt der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses verkündete dessen Sprecherin Fu Ying am Samstag, dass China seine Militärausgaben in diesem Jahr „um etwa sieben Prozent“ erhöhen werde – trotz der Spannungen mit den USA. Damit liegt die Steigerung so niedrig wie seit 2010 nicht mehr. Im vergangenen Jahr wuchs der Militäretat offiziell noch um 7,6 Prozent, die Jahre zuvor sogar zweistellig.

Insbesondere im Territorialstreit ums Südchinesische Meer liegt China mit den USA und sämtlichen Anrainerstaaten im Clinch. Peking beansprucht fast das gesamte Gewässer für sich, das für die internationale Schifffahrt inzwischen der wichtigsten Handelsweg geworden ist. Seit einiger Zeit versucht China Fakten zu schaffen und lässt künstliche Inseln aufschütten, auf denen sie Militärbasen errichtet.

Bei der Pressekonferenz rief Fu Ying, die auch mal Chinas stellvertretende Außenministerin war, zur Zurückhaltung auf und meinte, die weitere Entwicklung in der Region hänge vom Verhalten der USA ab. „Die US-Aktivitäten bestimmen gewissermaßen das Barometer.“ China ist inzwischen das Land mit dem zweitgrößten Militäretat. Er lag 2016 bei umgerechnet rund 140 Milliarden US-Dollar und ist damit größer als der von Japan, Südkorea, den Philippinen und Vietnam zusammen.

Das Friedensforschungsinstitut Sipri in Stockholm vermutet, dass es außerdem auch noch versteckte Ausgaben gibt. So würden einige Rüstungsausgaben etwa unter dem Forschungsetat verbucht, die Ausgaben für Einheiten der bewaffneten Polizei unter Innerer Sicherheit und die Patrouillen im Südchinesischen Meer unter Küstenschutz. „Es ist ziemlich sicher davon auszugehen, dass die gesamten Militärausgaben um etwa 50 Prozent höher sind“, sagte Sipri-Mitarbeiter Siemon Wezeman.

Chinas Führung informiert traditionell einen Tag vor Beginn des Nationalen Volkskongresses über ihre Rüstungsausgaben. Diese einmal im Jahr tagende Zusammenkunft ist vom Statut her zwar ein Parlament – und offiziell das höchste Organ der Volksrepublik. Die rund 3.000 aus allen Landesteilen angereisten Delegierten nicken die vorher gefassten Beschlüsse in der Regel aber nur noch ab. Die Führung zelebriert diese Zusammenkunft dennoch mit großem Brimborium. Seit Tagen sind in Peking wichtige Straßen gesperrt, die Innenstadt ist mit Blumen geschmückt. An den meisten großen Kreuzungen und auf Brücken patrouillieren Soldaten.

Bei der Verkündung des Wehr­etats betonte Fu Ying, dass es bei den höheren Ausgaben für Waffen und Soldaten lediglich um die Verteidigung der Volksrepublik und deren Interessen gehe. Mit einer Bevölkerung von 1,37 Milliarden Menschen seien die Pro-Kopf-Ausgaben zudem niedriger als in anderen Ländern. Die Summe liege außerdem unter den von US-Präsident Donald Trump geforderten 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das die US-Verbündeten innerhalb der Nato aufbringen sollten, betonte sie. Mit dem Militäretat der USA können die Chinesen tatsächlich nicht mithalten. Eine direkte Verbindung der erhöhten Militärausgaben zu Trumps US-Präsidentschaft wollte Volkskongress-Sprecherin Fu Ying aber nicht ziehen.

In den vergangenen Wochen hat China mehrfach scharfe Kritik am geplanten Raketenabwehrsystem THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) geübt, das die USA derzeit in Südkorea errichten will. Vordergründig soll sich das System gegen die Bedrohung aus Nordkorea richten. Aus chinesischer Sicht untergrabe THAAD das „nukleare Gleichgewicht des Schreckens“.

Diese Bezeichnung geht auf den Kalten Krieg zurück. Damals gingen die USA und die Sowjetunion davon aus, dass keiner von beiden den nuklearen Ersteinsatz wagen würde. Denn sie müssten unmittelbar mit einem nuklearen Gegenschlag rechnen. Wenn die USA nun mit ihrem Raketenabwehrschild bereits von Südkorea aus ballistische Raketen abfangen können, werde dieses Gleichgewicht unterlaufen, so die Befürchtung der Chinesen. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin warnt: Sollte THAAD umgesetzt werden, mache das eine weitere Aufrüstung in der Region notwendig.