Wolfsburg will den Fluch bannen

GlaubensfrageVfl Wolfsburg machte gegen Werder Bremen zwar ein gutes Spiel, verlor aber trotzdem. Nun geht es um die Frage, ob sie mit oder ohne den Trainer Valérien Ismaël gegen den Abstieg kämpfen

Die Frage, ob der VfL Wolfsburg mit Valérien Ismaël den Abstieg aus der Bundesliga verhindern kann oder nicht, ist weder mit Ja noch mit Nein zu beantworten. Und die Analyse ist nicht allein mit Fakten und ohne Emotionen zu bewerkstelligen, wie VfL-Manager Olaf Rebbe am Wochenende sagte, als die Entscheider der VW-Tochter die Lage besprachen – also die Zukunft mit oder ohne Ismaël.

Weil im Fußball die gefühlte Realität der Profis großen Einfluss auf die produzierte Realität der Ergebnisse hat, spielt der Glaube an den Trainer eine entscheidende Rolle. Insofern ist die gern kommunizierte Äußerung, man werde analysieren und bewerten, eine Vortäuschung von Wissenschaftlichkeit. Letztlich entscheidet das Gefühl des Moments im Gremium, ob man mit dem jeweiligen Trainer weitermacht oder nicht. Diese Entscheidung wollte der VfL bis Sonntagabend nach Redaktionsschluss treffen.

Selbstverständlich kann man argumentieren, das jüngste 1:2 gegen den direkten Konkurrenten Werder Bremen sei das beste Wölfe-Spiel seit Langem gewesen. 13:1 Ecken und 27:7 Torschüsse sind der Beleg dafür, dass der VfL in der Lage war, gegen eine Werder-Abwehr mit Kombinationsfußball (72 Prozent Ballbesitz) viele Chancen herauszuspielen. Die Betonung liegt auf: spielen. Die tiefstehenden Bremer wurden ordentlich zugepresst, der Matchplan im Grunde durchgezogen. Das ist das Plus.

Allerdings: Der Gegner war Werder Bremen. Und Werder war erdenschlecht. Wenn man selbst gegen so einen Gegner nur einen Treffer erzielt (19., Mayoral), dessen einzige Waffe (Standards) ignoriert und dann verliert, wer soll am Ende tabellarisch noch hinter einem stehen? Das ist das riesige Minus.

Sicherlich ist Werders hochbegabter Doppeltorschütze Serge Gnabry (10., 18.) mitverantwortlich für diesen Sieg, dennoch ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die Werder-Profis im Grunde nicht wissen, wie ihnen geschehen ist. Sie hatten nicht kompetent und leidenschaftlich verteidigt, sondern den VfL wirbeln lassen. „Unsere Taktik ist nicht aufgegangen“, sagte selbst der Stürmer Max Kruse. Aber das ist alles komplett schnurz: „Hauptsache drei Punkte“.

Das wird immer gern gesagt, aber so oft haben es auch Veteranen noch nie gehört wie von Werder-Akteuren nach dieser Partie. Es ist verständlich, dass man wie Werder-Trainer Alexander Nouri das Unvermögen oder Pech des Gegners zu eigener Charakterstärke umdichtet. Jeder nimmt, was er kriegt – und erklärt, warum er es verdient hat.

Ironischerweise ist es ja im Fußball und speziell im Abstiegskampf so, dass ein unverdienter Sieg dem Team womöglich erst richtig Auftrieb gibt, weil es die gefühlte Realität widerlegt, dass eine Aneinanderreihung von Pech und Unrecht zu der Misere geführt habe. Eine Niederlage trotz guten Spiels dagegen bestätigt die Spieler in ihrem Groll, dass sich wirklich alles gegen sie verschworen hat.

Die Entlassung des Trainers ist dann das Opfer, das gebracht wird, um den vermeintlichen Fluch zu bannen. Peter Unfried