Debatte Flüchtlingspolitik: Trump gegen Turnbull

Australien und die USA streiten über die Aufnahme von Asylsuchenden. Dabei steht das Leben hunderter Inhaftierter auf dem Spiel.

Donald Trump und Malcolm Turnbull

Donald Trump und Malcolm Turnbull Foto: ap/dpa

US-Präsident Trumps Anruf bei Australiens Premierminister Malcolm Turnbull Anfang Februar sollte eine höfliche Geste unter Verbündeten sein. Turnbull hat in seiner Amtszeit klar Stellung gegen Einwanderung und gegen die Aufnahme von Flüchtlingen bezogen. Er hat Asylsuchende daran gehindert, legal die australischen Hoheitsgewässer zu erreichen.

Stattdessen wurden sie auf den abgelegenen Pazifikinseln Manus in Papua-Neuguinea und auf Nauru interniert. Gegenwärtig werden dort 1.400 Personen festgehalten, darunter 70 Kinder. Insassen wurden misshandelt, es kam immer wieder zu Selbstverbrennungen und Selbstmorden. Doch Turnbull beharrte auf seiner Politik.

Das Telefongespräch verlief aber überhaupt nicht gut. Trump soll nach 25 Minuten einfach aufgelegt haben, was Turnbull jedoch bestritt. Trump sagte, er habe „deutliche Worte“ am Telefon benutzt, denn „wir werden von so gut wie jedem Land der Welt ausgenutzt“. Nun mag man sich fragen: Inwiefern nutzt Australien die USA aus? Trump bezog sich auf eine Übereinkunft mit der Obama-Regierung.

Die USA hatten zugesagt, ungefähr 1.200 Asylsuchende aus den australischen Lagern aufzunehmen. Im Gegenzug würde Australien Flüchtlinge aus Zentralamerika ins Land holen, allerdings ohne die Gesamtzahl von aufzunehmenden Flüchtlingen zu erhöhen. Darauf einigte man sich bei dem von Obama einberufenen eintägigen Flüchtlingsgipfel am 21. September 2016. Die USA und die Vereinten Nationen wollten Wege finden, wie die globale Flüchtlingskrise bewältigt werden kann.

Schockierende Misshandlung

Trump war allerdings über diese Abmachung nicht glücklich. Über Twitter teilte er mit: „Ist das zu glauben? Die Obama-Administration hat sich bereit erklärt, Tausende illegale Einwanderer von Australien zu übernehmen. Warum? Ich werde diesen törichten Deal untersuchen!“ Falsch ist schon seine Behauptung, der Deal sehe vor, dass die USA „illegale Einwanderer“ aufnehmen werden. Vielmehr wollten die Vereinigten Staaten Flüchtlinge aufnehmen – und zwar solche, die sie genau überprüft haben.

Trump hingegen setzte per Dekret die Umsiedlung von Flüchtlingen in die USA für 120 Tage aus, schloss die Grenzen für syrische Flüchtlinge und senkte die Gesamtzahl der 2017 in die USA eingelassenen Flüchtlinge auf 50.000 (Obama wollte 2016 noch maximal 110.000 einreisen lassen). Trumps Sprecher Sean Spicer bestätigte kurz darauf, der Deal mit Australien bleibe in Kraft, alle Flüchtlinge würden „schärfstens überprüft“. Aber was ist nun wirklich Sache?

Turnbull, selbst Konservativer und Einwanderungsgegner, ist in einer schwierigen Lage. Im vergangenen Jahr wuchs der Druck auf ihn, Australiens Asylpolitik zu ändern. Im Februar 2016 gingen Tausende in ganz Australien auf die Straße und forderten, dass Asylsuchende, die zu medizinischer Behandlung auf das australische Festland gebracht wurden, dort bleiben dürfen (vgl. #Letthemstay auf Twitter). Demonstranten blockierten sogar die Zufahrt zu einem Kinderhospital in Brisbane, und Ärzte verhinderten, dass die Behörden einen Säugling von Asylsuchenden in ein Internierungslager auf den Inseln brachten.

Im August veröffentlichte die britische Tageszeitung Guardian die „Nauru-Papiere“, die die umfangreiche und schockierende Misshandlung von Insassen der Flüchtlingscamps dokumentieren. Die Zustände führten zu scharfer Kritik der Vereinten Nationen, von Save the Children, Amnesty International, der australischen Kommissarin für Menschenrechte und dem australischen Ärzteverband AMA. Die AMA sagte über die Nauru-Papiere, dass „diese verstörenden Berichte die seit langer Zeit geäußerte Sorge der AMA untermauern, dass den Menschen in Einwanderungshaft nicht die erforderliche gesundheitliche und psychologische Versorgung gewährt wird. Die Berichte legen im Detail dar, dass viele der in Nauru Festgehaltenen traumatisiert und psychisch erkrankt sind. Dies betrifft vor allem Kinder.“

Lautstarke Kritik gab es auch an den privaten Sicherheitsunternehmen, die die Lager betreiben. Die beiden Firmen, Wilson Security sowie Broad­spectrum, das dem spanischen Multi Ferrovial gehört, haben angekündigt, dass sie im Oktober aus ihrem Vertrag aussteigen werden. Turnbull hofft zweifellos, dass Gras über die Sache wächst, die Übereinkunft mit den USA umgesetzt wird und sich andere Unternehmen finden, die die Lager weiterführen. Selbst, wenn die USA am Ende nur ein Dutzend der Flüchtlinge aufnehmen, kann er es immer noch als Erfolg darstellen.

„Humanitäre Maßnahme“

Aber was hier wirklich auf dem Spiel steht, ist das Leben von Hunderten Inhaftierten. Die mehr als 1.400 Menschen in den Lagern werden im Ungewissen gelassen. Die Chance, dass Trump sich an die Übereinkunft hält und sie ins Land lässt, ist klein. Turnbull sollte die Lager also endlich schließen und die Flüchtlinge aufs australische Festland bringen. Seine Weigerung, ebendies zu tun, hat er einst sogar als humanitäre Maßnahme verkauft: „Die Sicherung unserer Grenzen hat das Vertrauen der Öffentlichkeit erhöht und ermöglicht, dass Australien besonders großzügige humanitäre Regelungen hat.“ Doch es ist wohl kaum humanitär, Kinder und Familien monate-, gar jahrelang zu inhaftieren und zu misshandeln.

Australien sollte die auf den Inseln inhaftierten Flüchtlinge endlich auf das Festland bringen

Zudem muss man sich sorgen, dass sich in Europa eine ähnliche Politik durchsetzt. Turnbull hat die europäischen Regierungschefs aufgefordert, Australiens Regeln zu übernehmen und „Ordnung statt Chaos zu schaffen“. Die EU hat bei ihrem Treffen in Malta Libyen 200 Millionen Euro angeboten, wenn es die Flüchtlingsboote stoppt. Geplant sind auch „sichere“ Asylzentren in Libyen, Flüchtlinge werden zur freiwilligen Rückkehr ermuntert. Gleichwohl sind Staaten, wie Angela Merkel Trump kürzlich am Telefon erklärte, an die Flüchtlingskonvention gebunden und zur Aufnahme von Asylsuchenden verpflichtet.

Europas Führung sollte Turnbull drängen, die Insassen seiner Flüchtlingslager ins Land zu holen. Australiens Beispiel hingegen zu folgen wäre in dieser Zeit der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus genau der ­falsche Kurs.

Aus dem Englischen von Stefan Schaaf

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geboren 1985, lehrt Global Governance an der Hertie School of Governance in Berlin. Vorher studierte sie an der University of Auckland und promovierte an der University of Oxford. Sie forscht unter anderem zu globaler Migration und dem Klimawandel als Fluchtursache.

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