Auf dem Boden der Tatsachen angekommen

Fußball Werder Bremen verliert auch das vierte Spiel in diesem Jahr und gerät weiter in den Abstiegssog. Die Verantwortlichen können sich nicht länger auf die neue Spielkultur berufen

Wenn es an diesem trüben Samstagnachmittag im Weserstadion zumindest ein kleines Hoffnungszeichen für den SV Werder Bremen gab, dann war es diese Aussage eines seiner jüngsten Spieler. „Ich bin die Durchhalteparolen leid“, sagte Abwehrspieler Robert Bauer nach der 0:1-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach. „Wer viermal hintereinander verliert, steht zu Recht da unten drin.“

In den letzten Wochen hatte sich ein weicher Schleier über die reale Bedrohungssituation gelegt. Werder hatte erstmals seit Jahren gegen die übermächtigen Bayern und Dortmunder mitgehalten, die Emporkömmlinge aus Augsburg über weite Strecken sogar dominiert und das Mittelfelddreieck Delaney-Kruse-Gnabry weckte Erinnerungen an alte Größe. Dass alle drei Spiele verloren wurden – geschenkt. „Zu gut zum Absteigen“ – schien das Mantra zu lauten, das in der Aussage von Trainer Alexander Nouri nach dem Augsburg-Spiel gipfelte: „Dieser Weg wird zwangsläufig zu Punkten führen.“

Die zweite Liga ist voll von gefühlten Erstligisten wie dem VfB Stuttgart oder Hannover 96, die zu spät merkten, dass es sich bei der Bundesliga-Tabelle nicht um einen Diskussionsvorschlag handelt. Zur Realität gehören eben nicht nur die neue Spielkultur des SV Werder, sondern auch Tiefschlafphasen wie die von Niklas Moisander und Santiago Garcia vor dem 0:1 durch Thorgan Hazard in der 12. Minute. Diese Aussetzer prägen zu regelmäßig das Bremer Spiel, als dass man sie noch unter „individuelle Fehler“ abbuchen könnte, wie es die sportliche Leitung gern tut.

Immer mehr offenbart sich eine Unwucht in der Struktur des Kaders. Eine grafische Darstellung der Leistung der einzelnen Mannschaftsteile sähe aus wie die Bevölkerungspyramide: dicker Bauch, dünne Beine, ­schmaler Kopf. Während sich im Mittelfeld viel Klasse tummelt, fehlt es in beiden Strafräumen in entscheidenden Momenten an Durchschlagskraft.

Zum Vergleich: Während Augsburgs Raul Bobadilla und Gladbachs Hazard aus ihren wenigen Chancen das entscheidende Tor machen, scheitern Aron Johannsson und Fin Bartels in ähnlichen Situationen. Während Gladbachs Torwart Yann Sommer den einen „Unhaltbaren“ hält, lässt ihn der solide Felix Wiedwald passieren. Gehen diese Beispiele zur Not noch als Momentaufnahmen durch – die technischen und taktischen Fehler des Abwehrverbundes, die immer wieder zu großen Räumen für die Gegner führen, tun es nicht.

Wie eine Neujustierung des Kaders eine darniederliegende Mannschaft beflügeln kann, macht zum Bremer Leidwesen ausgerechnet der HSV vor, dessen Winterzugänge entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Nord-Rivale nach einem beeindruckenden 3:0-Sieg in Leipzig nun erstmals seit Monaten wieder vor Werder steht.

Auch wenn Sportchef Frank Baumann sehr genau schauen will, „welche Spieler auch in Zukunft würdig sind, das Trikot von Werder Bremen zu tragen“ – im öffentlichen Fokus seht jetzt Trainer Alexander Nouri. Der muss jetzt trotz des wachsenden Drucks möglichst schnell aus Bordmitteln eine Abwehrkette basteln, die auch mal über 90 Minuten hält. Vielleicht sollte der Realist Robert Bauer darin eine zentralere Rolle übernehmen. Ralf LOrenezen