Stefan Alberti stellt beim Zur-Arbeit-Radeln bei Minusgraden eine darwinistische Entwicklung fest
: Nur die Harten komm’ in’ Garten

Nicht so voll hier … Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Wusch – erst plötzlich ein Lichtkegel, dann ein vorbeischnellender Schatten. Beim Radeln im Winter verschieben sich die Verhältnisse, vor allem, wenn es ein echter ist. Bei 20 Grad plus kann man sich als mittelprächtig reintretender Aus-dem-Vorort-zur-Arbeit-Radler noch richtig gut fühlen, weil man an so vielen Schönwetterfahrern vorbei zieht, die mangels Übung nicht so fix unterwegs sind. Bei vier, fünf Grad unter null wie gerade ist das komplett anders: Da ist ganz wenig mit Überholen – denn die Langsamen sind einfach nicht da, schlicht Opfer einer darwinistischen Durchhalteauslese.

Wer in diesen Tagen über mehrere Kilometer zum Job fährt und vor allem dann auch noch im Dunkeln nach Hause, ist einfach in der Regel schnell. Auf der de facto ersten Fahrradschnellstrecke längs der S25 Richtung S-Bahnhof Priesterweg im Süden sind zunehmend nur noch quasi Halbprofis unterwegs. Jene, denen man das Ganzjahresradeln schon am Equipment ansieht: Gepäckträgertasche statt Rucksack, der einen noch schneller durchschwitzen lassen würden; Schuhüberzieher an den Füßen, die unförmig aussehen, aber Wind und Nässe abhaltenden und die uncoole, aber mega-helle Bauarbeiter-Leuchtweste.

All die anderen sind auf der Strecke geblieben, was Anlass einer vertieften Recherche ist – also im Kollegenkreis rumzufragen: Bremse eingefroren, sagt der erste. Mmh, wäre mit Aufwärmen in der Wohnung und einem Sprühstoß aus dem Caramba-Rostlöser wahrscheinlich erledigt. Aber, pssst, bloß nicht weiter sagen! Denn mehr zu überholen als überholt zu werden, mag zwar gut fürs Ego sein, aber auf Dauer nerven volle Wege.

Ein bisschen kann die Kälte also gern noch bleiben, vielleicht mit ein bisschen mehr Sonne. Wie im Stil einer alten Volksbank-Werbung: Minusgrade – wir machen den Weg frei.