Gedenken an den Holocaust: Ein Plattenspieler als Denkmal

Pink Triangle nannten zwei Briten ihre Marke. Sie deuteten damit ein abwertendes Symbol für homosexuelle KZ-Häftlinge um.

Gedenktafel am Nollendorfplatz in Berlin: der Rosa Winkel Foto: Manfred Brueckels, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6527577

Als Neal Jackson und Arthur Khoubesserian 1979 begannen, in Großbritannien Plattenspieler zu produzieren und einen Namen für ihr Unternehmen suchten, war es eine andere Zeit. Punkrock und Provokationen waren Teil der Alltagskultur. Weder Jackson noch Khoubesserian waren Punks, aber sie waren jung, politisch und wütend.

Wütend machte sie auch das Buch „Die Männer mit dem rosa Winkel“ von Hans Heger. In ihm ist das Leiden Josef Kohouts, der von 1939 bis 1945 in Sachsenhausen und Flossenbürg war, dokumentiert. Zwei Konzentrationslager, in die er von den Nazis deportiert wurde, weil er einen Mann liebte.

Der rosa Winkel, den Kohout wie alle homosexuellen KZ-Häftlinge an seiner Kleidung trug, wurde nun der Name des gemeinsamen Unternehmens der beiden schwulen Firmengründer. Zwar stellte Pink Triangle 2003 den Betrieb ein, doch stehen der Markenname und das Logo bis heute für hochwertige Plattenspieler.

Etwa zeitgleich mit der Gründung von Pink Triangle etablierte die Gay Pride Movement den von den Nazis als Schandmal erdachten, auf der Spitze stehenden rosa Winkel – allerdings um 180 Grad gedreht – als eigenes Symbol. Das mit der Spitze nach oben weisende rosa Dreieck wurde so ein Symbol für den Kampf gegen die fortdauernde Diskriminierung Homosexueller.

Aus einer jungen Liebe ins KZ

Doch ein Unternehmen, das so deutlich mit der Schwulenbewegung zu verbinden war, stieß auch auf Ablehnung. So führte Neal Jackson die Weigerung von Händlern an der Ostküste der USA, Pink-Triangle-Produkte zu verkaufen, auf den Firmennamen zurück. Es war ein Teil des Konzepts, die eigene politische Überzeugung in das Geschäft einzubringen. Selbst wenn es zulasten des Gewinns ging. Es wurden keine Produkte in Länder verkauft, die für eine massive Repression ihrer Bevölkerung bekannt waren. Weder in den damaligen Apartheidsstaat Südafrika noch in das von Pinochets Junta regierte Chile. Jackson und Khoubesserian versuchten sogar, das Unternehmen zu kollektivieren, was jedoch am Desinteresse der Mitarbeiter scheiterte.

Bereits der Name Pink Triangle wies über die Verbrechen der Nazis hinaus. Denn Hegers Buch machte deutlich, dass die Schwulen in den Konzentrationslagern keineswegs ausschließlich von überzeugten Nazis gepeinigt und gequält wurden. Das Regime der Nazis schuf einen verbrecherischen Staat mit mörderischen Folgen. Doch ein Teil der Misshandlungen, die Josef Kohout erduldete und die Heger beschrieb, begingen die „normalen“ Mitgefangenen. Sie nutzten ihn aus, um sich sexuelle Dienstleistungen zu erkaufen oder erzwangen sie direkt. Danach – sexuell befriedigt – beschimpften sie ihn als Schwulen, den sie selber nur aus Mangel an Frauen benutzt hätten.

Ein Symbol für den Kampf gegen die fortdauernde Diskriminierung Homosexueller

In diese Welt wurde der Österreicher Josef Kohout in einem Moment des persönlichen Glücks gestoßen: Aufgewachsen in einem humanistisch geprägten Elternhaus und bei einer Mutter, die sein Schwulsein akzeptierte, lebte er gerade in einer jungen glücklichen Beziehung mit einem Mann.

Der „Anschluss“ Österreichs, Kohouts folgende Verhaftung und Verurteilung zu sechs Monaten „schweren Kerkers“ setzten dem ein brutales Ende. Doch der wirkliche Horror begann danach. Denn Josef Kohouts Liebe Fred war der Sohn eines Nazifunktionärs. Für diese galt: Hohe Nazis hatten keine schwulen Söhne! Da Kohout zu viel wusste, wurde er nach seiner Kerkerhaft nicht entlassen, sondern kam in die sogenannte Schutzhaft und wurde in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Da er wusste, dass Homosexuelle in den Konzentrationslagern zu Tode gemartert wurden, empfand er den Tag der Entlassung aus dem Kerker als Todesurteil.

Das Unrecht öffentlich machen

Unter dem Eindruck der von Heger beschriebenen Erniedrigungen und Folterungen von Schwulen, wollten Jackson und Khoubesserian ursprünglich jedes ihrer Produkte nach einem schwulen Opfer der Nazis benennen, um diesem so ein Denkmal zu setzen. Doch scheiterte diese Idee daran, dass es keine Liste gab.

Kurz vor Kriegsende konnte Kohout fliehen und nach Wien zurückkehren, wo er 1994 in einem Pflegeheim starb. In 15 Interviews schilderte er Heger sein Martyrium und machte so als erster Schwuler das erlittene Unrecht öffentlich. Dem Erscheinen des Buches 1972 war eine lange Suche nach einem Verlag vorausgegangen. Der Verfasser legte sich aus Angst vor Diskriminierungen das Pseudonym Heinz Heger zu. Sein richtiger Name war Johann Neumann. Josef Kohout selbst blieb im Buch anonym. In seiner Heimatstadt Wien trägt der Park, der dem Gedenken der homosexuellen Opfer des NS-Terrors gewidmet ist, nicht seinen Namen, sondern heißt Hans-Heger-Park.

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