Radikalisierung nimmt zu

Rechtsextremismus Studie des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums belegt: Die Zahl der fremdenfeindlichen Aufmärsche in Brandenburg ist seit zwei Jahren gestiegen – wie nie zuvor

Harmlose Namen, rechtsex­treme Inhalte: Bei asylfeindlichen Aufmärschen in Brandenburg hatten Veranstalter, die sich als Bürgerinitiativen präsentierten, aber von Neonazis dominiert waren, den größten Zulauf. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ).

Die Untersuchung der neuen Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus des MMZ wurde am Mittwoch vorgestellt.

In Brandenburg habe es seit 2015 so viele asylfeindliche und rechtsextreme Aufmärsche gegeben wie nie zuvor, so die Verfasser. 105 Aktionen mit mindestens 50 Teilnehmer wurden 2015 gezählt. 2016 waren es 100. An diesen Aufmärschen beteiligten sich 2015 insgesamt rund 23.300 Personen. 2016 waren es rund 17.300 Teilnehmer.

Damit sei ein Mobilisierungsniveau erreicht worden, „das es im heutigen Land Brandenburg so noch nie gegeben hat“, sagte der Wissenschaftler Christoph Schulze. Der weitaus größte Teil der Aufmärsche habe sich gegen die Flüchtlingspolitik gerichtet, klassische rechtsextreme Themen wie die Geschichtspolitik seien nur Randerscheinungen gewesen. In den Jahren 2000 bis 2014 wurden in Brandenburg pro Jahr vier bis elf einschlägige Straßenaktionen mit mindestens 50 Personen erfasst.

Schwerpunkte der vergangenen beiden Jahre waren das Havelland und der Landkreis Elbe-Elster mit jeweils 16 derartigen Aktionen und die Landeshauptstadt Potsdam mit zwölf Aufmärschen. Die größten Demonstrationen fanden im Januar 2016 mit rund 580 Teilnehmern in Rathenow und rund 600 Personen in Lübben sowie im Februar 2016 mit rund 675 Teilnehmern in Oranienburg statt.

Den größten Zulauf hatten der Studie zufolge Veranstaltungen von Gruppierungen, die sich als parteiübergreifende, prodemokratische und nicht extremistische Bürgerinitiativen darstellten, aber wesentlich von rechtsextremen Akteuren und Positionen geprägt waren. Dazu zählen verschiedene von der NPD beeinflusste sogenannte Abendspaziergänge in Oberhavel, die „Pogida“-Aktionen in Potsdam und die „Bürgerbündnis“-Veranstaltungen in Rathenow.

Rechtsextreme seien an der Initiierung der Proteste beteiligt und bei den Demonstrationen und Kundgebungen „sehr stark präsent“ gewesen, betonte Gideon Botsch, Leiter der neuen Emil-Julius-Gumbel-Forschungsstelle des MMZ über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Sie hätten dabei die im Zusammenhang mit der Zuwanderung von Flüchtlingen polarisierte Stimmung ausgenutzt, um ihre Positionen zu verbreiten.

Die Zahl der Aufmärsche sei in den vergangenen Monaten zurückgegangen, zugleich sei jedoch eine Radikalisierung festzustellen, sagte Schulze. DPA