Kaum ermutigende Niederlagen

Die Mannschaft, die im Uefa-Cup das Rückspiel austrägt, ist durchaus nicht immer im Vorteil – eine Statistikspielerei

AACHEN taz ■ Man könnte sich ein Radiopotpourri vorstellen, einen schnellen Clip von O-Tönen. Mit Aussagen von Trainern und anderen Wichtigmenschen quer durch Europa nach der Auslosung zum Fußball-Uefa-Cup. Verschriftet würde das so aussehen: „Zum Glück zuerst auswärts / immer von Vorteil / höchstens knappe Niederlage / im Rückspiel alles klar machen / vor unserem fantastischen Publikum notfalls umbiegen …“

Kommentare nach den Hinspielen ergänzen solche Sichtweise: Da ist gern vom hoffnungsbestärkenden Auswärtstoren die Rede oder von der ermutigend knappen Niederlage. Die Realität entlarvt all diese Prognosen der Übungsleitergilde als hohles Geschwätz. In der ersten Hauptrunde des Uefa-Cups kamen am Donnerstag nur 13 von 40 Teams weiter, die das begehrte Rückspiel im eigenen Stadion austragen durften – respektive mussten. Das ist nicht einmal ein Drittel. Eine beeindruckend eindeutige Bilanz – nicht neu übrigens, schon immer neigte die statistische Tendenz höchstens zum Unentschieden.

Bei den Ergebnissen fällt zudem auf, dass von den wackeren 13 bereits fünf das Hinspiel auswärts gewonnen hatten (Hertha BSC, ZSKA Sofia, Straßburg, Steaua Bukarest, Lokomotive Moskau). Den Spieß wirklich umgebogen haben daheim nur Levski Sofia, Alkmaar und Heerenveen, also ganze drei von 40. Das sind übrigens genauso viele, die nach einer Heimniederlage in der Fremde triumphierten – und das sogar teilweise mit saftigen Überraschungen: Halmstad bei Sporting Lissabon, Maccabi Tikva bei Partisan Belgrad und Besiktas Istanbul in Malmö.

Wir erkennen: Offenbar reicht im Fußball offensive Kreativität selbst in heimischer Umgebung zur Korrektur eines Hinspielrückstandes seltener aus, als man glauben machen möchte. Ein Triumph der Abwehrbollwerke, Zeitschinder und Konterkünstler. Und eine Ohrfeige für die Korrektur-Optimisten. Dazu passt, dass zwei der drei triumphalen Umbieger aus dem bekannt spielstarken Holland kommen – mit spektakulären Ergebnissen: 5:0 nach 0:2 (Heerenveen) und 3:1 nach 3:5 (Halbfinalist 2004/05 Alkmaar).

Es gibt, auch wenn noch kein Rechtsgelehrter sie je in Paragrafentexte verschriftet hätte, offenbar wirklich eigene Gesetze des Pokals. Die Präambel kann hier schon niedergeschrieben werden: Traue keinem Trainergeschwätz. Ignoriere die Legenden. Und verlache alle Prognosen, bevor gespielt ist. Roland Loy, Statistikanalytiker und Erfinder der „ran“-Datenbank, hat kürzlich gesagt: „Wir sind Lichtjahre davon entfernt, zu verstehen, wie der Fußball funktioniert.“ Bis es so weit ist, freuen wir uns auf die anstehende Gruppenphase ohne Hin- und Rückspiele und warten danach auf den ersten Trainer, der sich traut zu sagen: Gut, dass wir zuerst zu Hause antreten dürfen.

BERND MÜLLENDER